Mittwoch
Früh wach nach einer eher ruhenden Nacht
Springe fröhlich von meiner schmalen Couch und schaue aus dem Fenster.
* Rosarotes himmelblau *
Die Übelkeit ist verschwunden
Die Haut fühlt sich an wie zerknautschtes Butterbrotpapier.
Mmh, über das Ameisen laufen.
Dennoch so gut, dass es heißes gechlortes Wasser zum duschen gab gestern Abend.
Und zum Glück ölige Creme
Mehr braucht es nicht 😉
8.30 stehen wir am kleinen Überlandbus * ohne Frühstück, nur ein paar süße Trauben
In Goris
*
246 Kilometer bis erstmal Yerevan sind es
ein tendenziell eher besonnenerer Fahrer
keine Musik
kein Zigarettenrauch
Parfümduft auch nicht
Ruhige Menschen
Blauer Himmel
& Richtung Pass meine ersten feinen glitzernden Schneeflöckchen in diesem Jahr
Und dann
Schnee
Schnee
Schnee
Es ist Schnee ….
5 Stunden sind wir unterwegs
Zunächst recht langsam im vielen Schnee
Noch einmal fahren wir in der Ferne an Chor Wirap vorbei
Der biblische Ararat heute wieder ganz in den Wolken verschwunden
Unsichtbar.
Denke an die kleine Taube in meiner Hand, an die Arche Noah und stelle mir das viele Wasser vor aus dem nur die Spitze des Ararat ragt
Wie Noah einen Raben aussendet der nicht zurück kehrt
Und dann dreimal eine Taube
Beim zweiten Mal findet sie zurück mit einem Olivenzweig im Schnabel
*
Leben & Frieden
*
In Yerevan
Es ist zu riechen
Die Feststellung wandelt sich für einen Augenblick in heftige Abneigung
Kein Frieden
Das Körperchen reagiert mit sofortiger Übelkeit
Nicht hilfreich
Traurigkeit in meinen Augen und im Hals
ein Druck im Herz
Das kenn ich gut
Der Schmerz des Vergehens &
Die Sehnsucht nach dem Vergangenen
Und doch ist es da das Vergangene
Spūrbar
In jeder Zelle
schon längst
&
wenn ich will
*
Jetzt Yerevan
*in grau*
Busbahnhof
Metro
2 Stationen
Platz der Republik
Soviele Autos
Soviele Menschen
Soviele Gerüche
Alles so laut und – mannoman – verdammt schnell
Schön langsam jetzt
Adriaan sieht was los ist
‚Du musst was essen Kati‘
Ja.
Und schön langsam bitte
Wir laufen schön langsam an der dicht befahrenen Straße zum vertrauten, viel besser als sonst besuchten studentischen Tagesrestaurant mit richtig gutem Essen
Erstmal sitzen
nur sitzen
Viele Stimmen . Mehr als sonst
Die Musik laut . Lauter als sonst
Das Licht grell . War es schon immer so?
Sitzen
*
Atmen
*
Füße spüren
den ganzen Körper spüren
*
Und:
Meinen Kopf an Adriaans Schulter sinken lassen
… Und die kleine Taube wird still.
Ganz langsam wird sie still, wird ihr Herz ruhig und gleichmäßig schlagend – dort sitzend, zum ersten Mal seit langem den Kopf wieder an eine Schulter gelehnt …
*
Um für ein paar Sekunden friedlich einzuschlafen
*
Essen:
Erst heißes Wasser.
Dazu süßes Gebäck gefüllt mit sahnigem Pudding.
Dann GemüseReis mit herrlich in Öl badenden Auberginen & Paprika.
Und ein bisschen Fleisch.
Essen und Berührung – wie so oft die genau richtige Medizin
Mehr braucht es nicht
*
Am Nachbartisch ruht unbewegt eine tiefbraune Tasse mit friedlich dampfendem Kaffee …
*
Jetzt
angekommen
wieder ganz angekommen
… schön langsam …
*
Das Taxi bringt uns die 20 Kilometer nach Etschmiadsin
Ländlich gelegen
Etschmiadsin – der Vatikan von Armenien
*