27. November

 

Mittwoch

 

Früh wach nach einer eher ruhenden Nacht 

Springe fröhlich von meiner schmalen Couch und schaue aus dem Fenster. 

Rosarotes himmelblau *

Die Übelkeit ist verschwunden 

Die Haut fühlt sich an wie zerknautschtes Butterbrotpapier.

Mmh, über das Ameisen laufen. 

Dennoch so gut, dass es heißes gechlortes Wasser zum duschen gab gestern Abend. 

Und zum Glück ölige Creme 

Mehr braucht es nicht 😉

8.30 stehen wir am kleinen Überlandbus * ohne Frühstück, nur ein paar süße Trauben 

In Goris 

 

 

*

 

246 Kilometer bis erstmal Yerevan sind es 

ein tendenziell eher besonnenerer Fahrer 

keine Musik 

kein Zigarettenrauch 

Parfümduft auch nicht 

Ruhige Menschen 

Blauer Himmel

& Richtung Pass meine ersten feinen glitzernden Schneeflöckchen in diesem Jahr 

Und dann

Schnee

Schnee

Schnee

Es ist Schnee ….

 

 

5 Stunden sind wir unterwegs 

Zunächst recht langsam im vielen Schnee 

Noch einmal fahren wir in der Ferne an Chor Wirap vorbei 

Der biblische Ararat heute wieder ganz in den Wolken verschwunden 

Unsichtbar. 

Denke an die kleine Taube in meiner Hand, an die Arche Noah und stelle mir das viele Wasser vor aus dem nur die Spitze des Ararat ragt 

Wie Noah einen Raben aussendet der nicht zurück kehrt 

Und dann dreimal eine Taube 

Beim zweiten Mal findet sie zurück mit einem Olivenzweig im Schnabel 

 

 

*

Leben & Frieden 

*

 

 

 

In Yerevan 

Es ist zu riechen 

Die Feststellung wandelt sich für einen Augenblick in heftige Abneigung 

Kein Frieden 

Das Körperchen reagiert mit sofortiger Übelkeit 

Nicht hilfreich 

Traurigkeit in meinen Augen und im Hals

ein Druck im Herz

Das kenn ich gut 

Der Schmerz des Vergehens & 

Die Sehnsucht nach dem Vergangenen 

Und doch ist es da das Vergangene 

Spūrbar 

In jeder Zelle

schon längst 

&

wenn ich will 

 

*

 

Jetzt Yerevan 

*in grau*

Busbahnhof 

Metro

2 Stationen 

Platz der Republik 

Soviele Autos 

Soviele Menschen 

Soviele Gerüche 

Alles so laut und – mannoman – verdammt schnell 

Schön langsam jetzt 

Adriaan sieht was los ist 

‚Du musst was essen Kati‘

Ja. 

Und schön langsam bitte 

Wir laufen schön langsam an der dicht befahrenen Straße zum vertrauten, viel besser als sonst besuchten studentischen Tagesrestaurant mit richtig gutem Essen 

Erstmal sitzen 

nur sitzen 

Viele Stimmen . Mehr als sonst 

Die Musik laut . Lauter als sonst 

Das Licht grell . War es schon immer so? 

Sitzen 

*

Atmen 

*

Füße spüren 

den ganzen Körper spüren 

*

Und: 

Meinen Kopf an Adriaans Schulter sinken lassen 

… Und die kleine Taube wird still. 

Ganz langsam wird sie still, wird ihr Herz ruhig und gleichmäßig schlagend – dort sitzend, zum ersten Mal seit langem den Kopf wieder an eine Schulter gelehnt … 

*

Um für ein paar Sekunden friedlich einzuschlafen 

*

Essen: 

Erst heißes Wasser. 

Dazu süßes Gebäck gefüllt mit sahnigem Pudding. 

Dann GemüseReis mit herrlich in Öl badenden Auberginen & Paprika. 

Und ein bisschen Fleisch. 

Essen und Berührung – wie so oft die genau richtige Medizin 

Mehr braucht es nicht 

*

Am Nachbartisch ruht unbewegt eine tiefbraune Tasse mit friedlich dampfendem Kaffee …

*

Jetzt 

angekommen 

wieder ganz angekommen 

… schön langsam … 

 

*

Das Taxi bringt uns die 20 Kilometer nach Etschmiadsin 

Ländlich gelegen

Etschmiadsin – der Vatikan von Armenien 

*

 

weiter…