Im Flieger von Delhi nach Frankfurt sitze ich neben einem Mann.
3 Plätze für uns zwei.
Ich am Fenster. Er am Gang.
Zwischen uns Raum.
Irgendwann spricht er mich an.
Ob ich deutsch sprechen würde, will er wissen.
Ich freue mich.
Weil er vertrautes deutsch spricht.
Und frage ihn wo seine Wurzeln liegen.
Meine innig geliebte Frage an Menschen, die nicht unmittelbar „deutsch aussehen“.
Er strahlt mich mit offenen Augen an.
Er sei in Indien geboren und lebe seit 25 Jahren in Deutschland.
Wo?
In einer kleinen Stadt bei Leipzig.
Weißenfels.
Er habe dort ein kleines indisches Restaurant.
Oh ich freue mich.
Was liebe ich indisches Essen, dass es ohne ihn in Deutschland wohl nicht geben würde.
Ich frage ihn, ob er bei seiner Familie gewesen sei. In Indien.
Er bejaht.
Bewegt.
Sein Vater sei sehr krank und er habe ihn besucht. 80 Jahre alt.
Und ich sage: Das muss sehr schwer sein wieder zu gehen. Und so weit weg zu sein, wenn die Eltern alt werden und der Vater sehr krank ist.
Er sitzt da und die Tränen, sie laufen über.
Wir schweigen.
Gemeinsam.
Nach einer Weile fragt er mich wo ich war.
Nepal.
Ob ich es mögen würde.
Ja.
Sehr.
Vor allem die Menschen mit ihren offenen Augen und ihrem Lächeln. Trotz allem.
Und er sagt, ja in Deutschland, da schaut niemand dich an. Da wird kaum gelächelt. Und wenn sie schauen, dann denken sie, wir, ich und meine Kinder würden etwas klauen.
Wir schweigen.
Gemeinsam.
Und fliegen weiter an Kabul vorbei.
Und ich sage zu ihm, dass ich finde, dass jeder einzelne Mensch dieser Welt das Recht haben muss, zu gehen. Egal wohin er möchte.
Jeder einzelne muss das Recht haben, sein Leben verändern zu können.
Es reicht auf der ganzen Welt für alle.
Es ist selbst dann noch immer viel zu viel.
Und wir Menschen sollten einander willkommen heißen.
Immer.
Er lächelt.
Und die Tränen, sie laufen über.
*
Melanie aus unserem Vierer- Frauenreisegrüppchen durch das Mustangtal arbeitet in einem Haus für geflüchtete unbegleitete Minderjährige und erzählt, dass es am schwersten und bewegendsten sei, wenn sehr junge Kinder ankämen. Sogenannte Krisenkinder.
Das Jüngste sei 7 gewesen.
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Die Taliban hätten ihn den Eltern weggenommen, um einen Taliban aus ihm zu machen. Es sei ihm gelungen zu flüchten.
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Zurück zu seinen Eltern.
Doch dort konnte er nicht bleiben.
Wenn er entdeckt würde, würde er sterben und mit ihm die ganze Familie. Und so schickten sie ihn „auf die Reise“.
In die Sicherheit.
Ins Leben dürfen.
Kindsein können.
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Ein tief verletzter junger Mann mit alten Augen, sagt Melanie.
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Jeder einzelne Mensch dieser Welt, muss das Recht haben zu gehen.
Egal wohin er möchte.
Jeder einzelne Mensch muss das Recht haben, sein Leben verändern zu können.
Es reicht auf der ganzen Welt für alle.
Und ist noch immer viel zu viel.
Und wir Menschen sollten einander willkommen heißen.
Immer.
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