Wir sind wieder Zuhause.
Zurück von der Beerdigung.
Adriaan leitete sie, hielt den Rahmen und die Menschen mit ihrer Traurigkeit.
Ich war da. Ganz. Habe gesehen. Gehört. Gefühlt. Gerochen. Geschmeckt. Gedacht. Geweint. Gelacht.
Jetzt bin ich müde. Zugleich arbeiten die Bilder in mir.
Der sonnig-kalt-blaue Tag, die hohe dunkle monumentale Trauerhalle, zwei Beerdigungshelfer gekleidet wie in einem Film um das 3. Reich. Feda, die versonnen und innig Rosenblätter verstreut. Einige legt sie still zum Bild ihres toten Mannes. Traurige Menschen, viele, 200 vielleicht. Schon länger Lebende und Junge. Gelebte auch.
Wahrnehmen was da ist. Meinen Körper, meinen Atem, die Gedanken die aufsteigen. Ich stehe, sitze, gehe. Der Weg zum Grab Gehmeditation, zwei Schritte ein Atemzug. Um mich üppiges Grün und der feuchte Morgenduft des Herbstes, die kalte Luft. An einer stillen Wegesecke im Gras eingebettet unter schützenden Bäumen ein großer Findling, davor die Erde ausgehoben. Rote Beeren am Strauch, schnell ziehende Wolkenballen am blauen Himmel.
Tom der gestorben ist und dessen Staub an die Erde gegeben wird. Tom dem wir nie begegnet sind. Und doch kennen.
Vorbei.
Ich laufe durch die Wohnung. Auf den Balkon. Stehen und atmen. Sehen. Sehen ist gerade zu viel. Etwas essen vielleicht? Nein, nicht noch mehr verdauen. Trinken? Ja trinken.
Der Mund ist trocken. Heißes Wasser läuft in meinen Becher. Ich hebe ihn an meinen Mund, spüre die feuchte Wärme die meine Haut weich berührt. Das Wasser läuft in mich hinein, rinnt hinunter, die Pforte zum Magen öffnet sich, wohlige Wärme erfüllt die Mitte meines Körpers.
Was jetzt?
Ausziehen. Ich lege meine Kleider ab und hänge sie auf den Balkon in den Wind. Mir ist kalt.
Ich suche nach etwas was ich tun kann. Da ist sie wieder, die Rastlosigkeit. Die Rastlosigkeit die einen oft in der ersten freien Zeit nach intensiven Ereignissen oder langen Zeiten der Spannung oder Aufregung befällt. Wenn es vorbei ist, und das nächste noch nicht kommt. Das Loch des Nachklingen in dem es nichts zu tun gibt oder besser, in dem jedes Tun zu viel wäre. Das Loch, in dem man gern das Handy zückt und mails abruft, sich durch die Programme klickend vor den Fernseher setzt oder surfend vor den Laptop, jemanden anruft obwohl dir eigentlich nicht danach ist, du ohne Hunger vor dem Kühlschrank stehst auf der Suche nach etwas Leckerem oder Dinge kaufst, die du nicht brauchst.
Plötzlich weiß ich es: Baden. Oh ja, ein warmes Bad! Ja.
Ich verschließe das Becken, öffne den Wasserhahn, stelle ihn auf heiß. Das Wasser fällt dampfend in die Wanne. Ich lege mein Handtuch bereit. Zünde die grüne Kerze an. Berühre mit meinem Zeh den Wasserspiegel. Tauche ein, immer mehr.
Baden. Umspült werden. Abtauchen. Sein.
Eine lange Zeit liege ich so. Die Bilder des Tages werden langsam weniger. Die Gedanken auch. Ausklingen lassen. Ankommen. Immer mehr Ankommen.
Ankommen im mit mir Alleinsein. Frei von Bildern und Gedanken. Frei von Wollen und Tun. Frei von innerem GeschobenSein.
Zu faul mich abzutrocknen, steige ich aus der Wanne, lege das große Handtuch auf den weinroten dicken Teppich. Es ist warm im Zimmer. Die Fensterscheiben sind feucht beschlagen. Ich lege mich auf den Boden, und mein Blick legt sich auf das große Balkonfenster. Bedeckt mit Wasserdampf. Nebel. Kleinen Bläschen. Darin Muster, so wie Eisblumen im Winter – nur anders. Ich spüre die Feuchtigkeit auf der Haut, die rinnenden Tropfen die mich streicheln. Sehe den Glanz des Wassers, meine Haut, die feinen Häarchen. Die Wassertropfen lösen sich auf, werden kleiner und kleiner. Minutenlang beobachte ich mein Trocknen. Spüre mein Herz schlagen, sehe die Bewegungen meiner Haut unter der mein Blut pulsierend fließt. Atme.
Jetzt
Ich bin wieder allein
Ich lebe