Eine ganz persönliche Frage an mich oder: Auf Weltreise & glücklich

 

06. Dezember 2020

Heute morgen fragte mich eine der Frauen die ich begleite, in einer morgendlichen Sprachnachricht folgendes:

 

„Wie schaffst du es, so gelassen zu bleiben in dieser besonderen Zeit, wo nicht klar ist, ob eure drei 10-tägigen Retreats über den Jahreswechsel vom 17.12. – 16.01. in Stille stattfinden werden? Es ist ja für Adriaan und dich immer eine ganz besondere und wichtige Zeit: Praxiszeit und auch Zeit wo ihr euer Geld verdient, dass ihr zum Leben benötigt. Die Summe die da mit euren ausgebuchten Retreats zusammen kommt ist ja nicht unbedeutend.

Ich  möchte einfach gerne wissen, was dir hilft, so in Gelassenheit und im Annehmen zu bleiben?

Vielleicht kann mir davon ja auch etwas helfen, denn ich merke, dass mir die ganzen ständigen Unsicherheiten von klappt was, klappt es nicht, online oder doch in echt, dass mich das echt sehr unruhig macht.“

 

Und ich antwortete ihr als Sprachnachricht: 

 

Ach liebe XY, 

ja, das ist eine schöne Frage.

 

Es ist das Yoga üben, immer wieder zurückfinden zu der Stille in mir. 

Es ist das unter dem Himmel spazieren.

Es ist der regelmäßige Schlaf.

Es ist der regelmäßige Tagesablauf.

Es sind drei warme Mahlzeiten am Tag.

Es ist das absolute Erfüllen der Grundbedürfnisse.

 

Wenn ich das nicht mache, dann komme ich in Unruhe.

Dadurch, dass ich immer wieder zurückfinde in diese Ruhe, ist und bleibt die Verunsicherung auf Abstand.

Wobei ich natürlich gleichzeitig im Hintergrund eine Unruhe bemerke. Ich bin nicht in der Gewissheit: es findet statt, sondern es kann sich in jedem Moment alles ändern. Und ich weiß, wie gelassen es sich anfühlen kann, wenn da die Sicherheit der Planung da ist. Das ist aber nicht der Fall und trotzdem bin ich ruhig und gefasst. Ja, es ist eine ruhende Gefasstheit.

Ja, und dann weiß ich einfach, wie wenig man wirklich zum Leben braucht.

Wie wenig wir zum Leben brauchen.

Unser Leben ist bescheiden und ich weiß, wir haben etwas Rücklagen. Damit kommen wir über eine gewisse Zeit und gleichzeitig ist es so, dass ich echt nicht am Geld hänge. Ich bin froh, dass wir Rücklagen haben, die werden natürlich mächtig schrumpfen, wenn uns dieser Block an Retreats fehlen würde. Zugleich ist da so ein Vertrauen, ein Wissen, dass das was wir geben so wirksam ist, dass die Menschen immer zu uns finden werden. 

Wir haben in diesem Jahr Verlust genommen. 

Aber: es ist nur Geld, einfach nur Geld. 

Ich sag immer:

  • es muss warm sein
  • ich muss etwas Nährendes zum Essen haben
  • es muss relativ sauber sein um mich herum
  • und irgendwie auch schön.

All das kann ich mir in der Regel jederzeit erfüllen.

Und wir leben in einem Sozialstaat, wo auch Miete gesichert ist.

In den letzten Monaten habe ich getestet was ich wirklich zum Leben brauche.

Könnte ich zum Beispiel, wenn ich weniger hätte, trotzdem noch im Bioladen einkaufen?

Und ja, ich würde noch viel bewusster einkaufen. Mein Ernährungsstil zum Beispiel, mit Linsen, saisonalem Gemüse und vollem Getreide – das ist ein so preiswerter und zugleich menschenwürdiger Lebensstil. Nur wenn ich überlege was ich für ein Brötchen zahle und wie lange es mich satt hält. Und für 2,99 bekomme ich eine große Tüte Hafer und kann mir davon jetzt im Winter morgens eine wohltuende nährende Hafersuppe kochen und mir von dieser einen Tüte zwei Wochen lang mein Frühstück bereiten. Das mal als ein Beispiel.

Das sind alles so Momente wo klar wird, wie wenig ich brauche.

Ich bin in diesem Jahr fast ausschließlich mit der gleichen Kleidung gegangen. Ich habe nichts gekauft. Ich habe von allem Gutes aber wenig. Da ist in den letzten Jahren eine Reduktion auf das Wesentliche passiert, auch wenn ich hier in Fülle lebe. Doch ich weiß immer klarer, wie wenig ich brauche, um wirklich innerlich zufrieden zu sein. Und das gibt mir ein ganz großes Vertrauen. Ich bin so wenig abhängig vom Außen.

Gleichzeitig ist es Quatsch das zu sagen, weil ich in einer warmen und schönen Wohnung lebe, weil unser Leben so ist wie es ist. Das weiß ich zu relativieren. Es ist immer leicht so zu sprechen aus einer gesicherten Situation heraus. Ich bin keine Sozialleistungs-Empfängerin. Ich wohne nicht in beengtem Wohnraum. Ich kann mir meinen Tag gestalten. Ich bin frei. Doch gleichzeitig verzichte ich für diese Freiheit auch auf ganz ganz vieles, was für andere Menschen normal ist. Die Entscheidung selbstständig zu sein und den öffentlichen Dienst zu verlassen. Das war ein Riesenschritt vor 9 Jahren. Ein richtig gutes Jahreseinkommen mit all seinen Sicherheiten aufzugeben. Sagen wir mal so: es war eine Zeit lang ein Verzicht aber inzwischen ist es ein echtes Erkennen und Unterscheiden von was und wieviel ich brauche und was und wieviel ich nicht brauche. 

Und ganz vieles was andere Menschen brauchen, dass brauche ich einfach nicht. Und das macht so frei. 

 

Was ich wirklich brauche ist jeden Tag frische Luft,

unter freiem Himmel sein und das am liebsten im Wald.

Was ich wirklich brauche ist ein warmes Bett. 

Regelmäßigkeit im Tagesablauf.

Und:

Gütige Menschen um mich herum.

 

Das sind alles Dinge die ich brauche. 
Und wenn ich die nicht habe, dann werde auch ich unruhig. Dann werde ich unwirsch. Gereizt.  Dann werde ich „hungrig“.  Dann kommt die Ängstlichkeit. 

Aber selbst dann kann ich jederzeit meditieren. 

Ich weiß, dass mich   D A S   wieder zur Ruhe bringt.

Wenn ich mich hinsetze und bei meiner Atmung bin, dann komme ich wieder in die Ruhe, ganz in den Moment und später in die innere Stille. In ihr finde ich vertiefend oder immer wieder neu Kraft und Zuversicht. Auch wenn es drei Stunden danach vielleicht in mir wieder unruhig wird. Aber erstmal habe ich diesen Anker und den haben ja leider ganz viele Menschen nicht. Bzw. diesen Anker hat jeder Mensch, doch da ist soviel Angst vor der Stille und sie wird vermieden.  

Ja.

Mit der Offenheit des Lebens leben. 

Einfach mit dem Leben mit fließen. 

Es gibt Dinge die kann ich nicht ändern. Ich kann nicht Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Also muss ich es hinnehmen. Und wenn ich mich darüber empöre und wütend werde, dann verpuffe ich soviel Energie. Ich bin das mal für den Moment, dann gebe ich dem Unmut Ausdruck. Doch dann frage ich mich, ob ich es in der Struktur ändern kann. Und das kann ich nicht, und dann geht es immer wieder neu darum, es einfach in dem Umfang anzunehmen wie es für mich nährend ist. Wenn ich im Kampf bleibe, dann nährt es mich nicht, dann verliere ich nur.

Wenn ich jetzt sage, ok, dass ist jetzt mein Weg mich darin zu bewegen ohne vereinnahmt zu sein, wenn ich den dann auch beschreite, dann wird es auch wieder leichter als im Kämpfen zu sein und in der Ablehnung.

Aber wie gesagt, das sind alles Prozesse: das ist nicht sofort *Schnips* da. Es ist ein innerer Prozess.

 

Und ganz wesentlich

Ich suche immer wieder die Stille. 

Die Stille in mir.

Die Stille in mir ist mir wirklich heilig. 

Mein Gradmesser dafür sind die Bäume. 

Wenn ich die Bäume anschaue und ich habe keine Verbindung zu ihnen und ich kann die Stille der Bäume in mir nicht fühlen, dann weiß ich, dass ich aus dem Lot bin. Das ich etwas verändern muss. Das etwas gerade zu viel oder zu wenig da ist.

Ich suche jeden Tag in mir neu die Stille der Bäume, dass ich sie in mir spüre. Dann ist alles gut. Und wenn es nur Momente sind. Es sind Momente die mich nähren. 

 

Und liebe XY, ich bin echt nicht perfekt. Ich habe auch meine unsicheren Gedanken. Aber sie bringen nichts. Gerade eben ist ja alles sicher. 

Wir haben vorgesorgt. Durch unser bescheidenes Leben. Ich kaufe so selten etwas, was man nicht essen kann ;). Das meiste Geld gebe ich wirklich für gute lebendige Lebensmittel aus. Denn aus ihnen werde ich die, die ich bin.

 

Ja. 

 

Mit der Unsicherheit leben…

… und dem Leben vertrauen. 

 

 

 

14. Dezember 2020

Heute wäre ich abgereist.

Für 35 Tage in die Stille.

Erst für 10 Tage still in der Küche kochend 21 meditierende Menschen umsorgen.

Dann 10 Tage in Stille selbst als Teilnehmerin dabei sein.

Danach 10 Tage in Stille die Menschen der dritten Gruppe im Meditationssaal und rund um die Uhr begleiten. 

Und ganz zum Schluss 4 Tage mit der neuen Jahresgruppe gemeinsam meditieren.

 

Doch dann kam das Leben dazwischen.

Ich habe jetzt 35 Tage frei.

 

Ich kann es noch gar nicht glauben. 

Gleichzeitig sage ich mir:  ich bin jetzt auf Weltreise, so fühlt es sich an.

Eine Weltreise im Zuhause sein. 

Es ist eine teuer bezahlte Weltreise, weil wir gerade richtig viel Einnahmen verlieren, die gute Basis für das kommende Jahr.

Es ist der kostenintensivste Urlaub den wir jemals hatten.

 

Zugleich ist es geschenkte Zeit.

 

Ich bin jährlich rund 180 Tage nicht Zuhause.

Jetzt soviel Zeit hier Zuhause zu haben ist wirklich ein Geschenk.

Ja, das größte Geschenk ist es Zeit zu haben und Raum, aus dem heraus der Tag entstehen kann. 

 

Ich bin nach 10 Jahren zu Weihnachten mal wieder Zuhause. Und Silvester auch.

Das ist wirklich sehr, sehr merkwürdig.

Ich gebe zu, ich ziehe die nährende Retreatstille der bedrückenden Lockdown-Stille vor.

Und trotzdem: Ich werde es genießen, alles ganz langsam und mit Ruhe machen zu können. 

 

 

Welch ein Segen …

 

 

 

22. Dezember 2020

Gestern Abend war es soweit.

So lange habe ich gebraucht, den Widerspruch von Dankbarkeit über den Ozean an Zeit und den enorm hohen Preis dafür in mir aufzulösen.

Darf ich glücklich sein, auch wenn es einen so hohen Preis hat?

 

Ja.

Ich darf.

Wir dürfen immer wieder glücklich sein. 

J a !

Wir   m ü s s e n   sogar 😉 – So wirken wir in diese angstgefangene Welt hinein

J a  …

Guten Tag, liebes Glück !