Was macht dich unfrei?

 

Seit Januar ist unser OnlineMeditationsProgramm vipassana-jetzt weiter gegangen.

Jeden Morgen zwischen 6 und 7 sitzen wir mit meist 40  – 60 Menschen in Zoom und meditieren.

Manchmal ganz still.

Manchmal geführt.

Manchmal mit einem Thema das JedeR für sich unter Adriaans Anleitung in sich erforscht.

In den letzten Tagen war das Thema: Unfreiheit. Was macht dich unfrei? Eng. Eckig. Verbissen. Ängstlich. Was bringt dich in Zu- und Abneigung?

 

Was macht dich unfrei?

 

Und auch ich sitze dann mit diesem Thema in mir und forsche.

Nach dieser Stunde gibt es jeden Tag neu die Möglichkeit in einen Austausch zu kommen und die eigenen Beobachtungen zu teilen. Und auch Adriaan und ich teilen, was wir in uns entdecken. Wir sind ja Menschen genau wie jedeR andere, haben unsere Themen, Herausforderungen, wachsen und reifen, sehen uns nicht als Lehrer, sondern als Begleiter: Wir sind alle gemeinsam auf dem Weg.

Am letzten Freitag hatte ich den klaren Impuls zu sprechen. Mit dem Wunsch, mich selbst sprechen zu hören, die anderen zu Zeugen meines Ringens werden zu lassen und durch diese Zeugenschaft meine Erkenntnis zu vertiefen.

Hinter mir lagen sehr intensiv fordernde Tage, die ich am Verdauen war.

Ich teile mit dir hier meine Worte von diesem Morgen:

 

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„Ich hatte einige sehr intensiv-fordernde Tage, in denen ich immer wieder meine Grenzen nach außen ganz klar zu machen hatte.

Sie lagen nun hinter mir.

Es folgte ein freier Tag ganz für mich allein. Ich wusste, dass ich jetzt viel Zeit im Wald brauche, weil Bäume sehr heilsam auf mich wirken und Kraft und Ruhe schenken.

Ich bin auf dem Weg ins Windrather Tal, sitze im Auto und spüre, wie mir plötzlich ganz übel wird. Erst will ich diese Übelkeit nicht haben. Doch dann ergebe ich mich und spüre ich in diese Übelkeit trotz Autofahrens hinein.

Spüre tief in mich hinein.

Es ist Ekel in mir.

Ein ganz großer Ekel.

Ich spüre noch tiefer in diesen Ekel, lasse mich hinein sinken in dieses bedrängende Gefühl und plötzlich wird aus diesem Ekel tief in meinem Magen ein Wort geboren, eine Wortverbindung, die beschreibt und eine Einordnung dessen vornimmt, was in den vergangenen Tagen geschehen ist. Diese Einordnung ist sehr stark. Es sind Worte die benutzt man sehr, sehr selten oder eigentlich nie. Und diese Einordnung macht etwas klar für mich. Sie ist wie ein Punkt hinter einem gravierenden Ereignis.

Erfühlt. Erfasst.

V o r b e i

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Tränen.

Dicke warme ölige Seelentränen. Frei von Gedanken, verbunden mit einer unendlich großen Dankbarkeit, weil ich plötzlich tief aus mir heraus geboren weiß, was geschehen ist.

Die Welt um mich ist noch heiliger als sonst.

Ich fahre in den Wald. Laufe. Setze mich unter die alten, vertrauten Buchen.

Atme.

Frieden.

Da ist ein weiter Frieden.

Ich bin Frieden.

Und in dieser Waldesstille erfasst mich die nächste Einsicht:

 

Wie Verhalten, das mir in anderen Menschen begegnet und das ich selbst auch habe, wie das etwas ist, was ich selbst erlebt habe oder derjenige selbst erlebt hat und wie das den täglichen Umgang miteinander als durch das Leben eingeprägte Verhaltensmuster bestimmt.

 

 

Ich weiß das natürlich kognitiv, ich kann es analysieren, spiegeln.

Doch nun kann ich es plötzlich so glasklar sehen und fühlen:

Unser Verhalten ist geprägt und bestimmt durch unser Leben, unsere Geschichten, durch das was wir erlebt haben.  Es ist glasklar sicht- und fühlbar. Ohne einen Gedanken dazwischen. Als würde ein Schleier weggezogen.

Eine tief fühlbare, ungeheuerliche Erkenntnis für mich.

Ein Riesengeschenk.

Ich bade in Frieden für das was war und bin in enormer, hellwacher Müdigkeit.

 

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Und dann folgen besondere Tage. Besondere Tage, weil ich trotz dieser ungeheuerlichen, befriedenden Einsicht beobachten kann, wie der Geist immer wieder eine Geschichte machen will aus dem was geschehen war.

Diese Geschichte ordnet die Situation ein:  

In Opfer und in Täter.

Und dass, obwohl ich Einsicht bekommen hatte in etwa ganz Großes, wo es nichts an Trennendem gab. Wo alles verbunden war. Wo alles so sein durfte wie es war.

Eine Erfahrung.

Es gab keinen Täter. Es gab kein Opfer. Es gab nur diese Einsicht.

 

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Trotzdem versucht seitdem mein Geist, daraus eine Geschichte zu bauen und ich beobachte, dass es einen dahinter liegenden, noch viel tieferen Aspekt oder Antrieb gibt:

 

Ich will recht haben.

Ja.

Ich will recht haben.

Und  genau D A S  macht mich unfrei.

Mein Geist will diese Geschichte bauen, um recht zu haben.

 

 

 

Das Thema dieses Meditationsmorgens ist:

 

Wo liegt die Unfreiheit?

Im Recht haben wollen und da ist auch ein Gefühl von Rache,

von Hass

und das   t r o t z   dieser EinsichtsPerle,

t r o t z   diesem Geschenk.

 

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Ich habe das jetzt erzählt, damit ich mich reden höre und rauskomme aus dem Zusammenfügen wollen einer rechthaberischen Geschichte.

 

Es passiert mir immer wieder.

Es geschieht uns allen.

Wir sind oft nicht das was jetzt gerade ist, sondern wir bestehen aus alten, zusammengebastelten Geschichten die den jetzigen Moment bestimmen, sich auf und um den jetzigen Moment legen.

 

 

Ich habe schon sehr viele Geschichten meines Lebens abgelegt.

Ich erzähle kaum Geschichten.

Weil es nicht wichtig ist.

Weil sie nicht (mehr) da sind.

Ich bin nicht meine Geschichte.

Ich bin nicht, was mein Geist da fabriziert.

Doch dieses Mal passiert es mir wieder.

Der Geist kreiert eine Geschichte von Täter und Opfer.

 

Es ist so so heilsam, bewusst diesen Mechanismus erleben zu können.“

 

 

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Meine tief befreiende Einsicht nach langen Tagen des immer wieder Hinein-Spürens ist:

 

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Im Recht haben wollen werde ich Täter und Opfer zugleich.   

 

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