04. März

spät in der Nacht

 

Meine liebe kleine große Oma, 

 

Ich bin angekommen.

Sofort. 

Nichts von mir ist zurück geblieben in Deutschland. 

Ich bin da.

Ganz wach. 

Ganz offen.  

 

Kathmandu empfing mich 3 Stunden später als gedacht mit dunstigem weiß-gelben Himmel in der Abenddämmerung. Die warme, etwas feuchte Luft umhüllte mich sofort. 

Alles ging reibungslos. Jeder einzelne Schritt frei. Trotz ungeimpft seins. Seit einer Woche neu sollte jeder Ankommende doch wieder eine Impfung haben. 

Das wurde mir in Frankfurt am Schalter gesagt. Und man winkte mich trotzdem durch. 

PCR. 

Es gab kein Zucken, nicht eine einzige innere Regung in mir. Alles in mir wusste: egal was es ist, ich würde fliegen. 

 

Ja. 

Reibungslos. 

Es ist spät am Abend. 

Mitternacht schon vorbei.

In Deutschland glaube ich, ist es 20 Uhr. 

Nach 3 Stunden Schlaf liege ich wach irgendwo im Norden Kathmandus. Dieser wirbelnden Stadt. Irgendwo da im Norden mittendrin. 

Wirklich mittendrin. 

Inmitten einer Großfamilie und unter in die Nacht bellenden Hunden. 

Bhagwan und seine Frau. 

2 Söhne, 5 Monate und 5 Jahre. Ama, seiner Mutter, zwei helfenden Amas die auch im Haus leben, Dezi der Nachbarin die mich abholte. 

Und 3 jungen Männern Anfang 20, die schon seit 2 Monaten hier sind. 

Ich bin im Volontershaus. Hier lebt in „guter“ Nachbarschaft die Familie mit 4 zusätzlichen Schlafzimmern, Platz für 9 weitere Menschen. Reisende, die ankommen wollen. Ankommen im Mittendrin. 

 

Mir ist heiß. 

Nach den langen Stunden im Flieger brauche ich Luft. 

Ich stehe auf, öffne leise die laut knarrende Tür und gehe hin zu dem überdachten Balkonzimmerchen.  Es ist die Raucherecke, in die ich mich sofort verliebt habe. 

Draußen sein nachts. 

Erinnerst du dich Oma? 

In deinen letzten Wochen, als ich nicht mehr bei dir sein durfte, schlief ich jede Nacht auf dem Balkon. 

So trennte uns nur dein Fenster die 630 km entfernt voneinander und ich bat dich, es offen zu halten. Manchmal riefst du mich nachts heimlich an und dann lag ich in Wuppertal unter dem Himmel und wir waren beide so dankbar dafür, auf diese Weise zusammen sein zu können. 

Das draußen schlafen bis weit in den Herbst hinein ist geblieben aus dieser Zeit mit dir. 

Oh wie ich es liebe. 

Daran denke ich während ich hier liege, 

den Hunden zuhöre und der Stille lausche. 

Mein ganzer Körper strömt.

Vor allem meine Füße. Und mein Herz. 

Es fing an als ich ins Auto stieg und wir eintauchen in die hupende Masse der Autos, Motorräder, Roller. Es fing an beim Anblick der Menschen. Dem Lachen der Kinder. Dem Duft von Staub und Seife. Beim Klang der Hupen. Es fing an bei den Fragen der vielen auf mich zukommenden Fahrer, ob ich ein Taxi bräuchte. Beim Hineingleiten in den Linksverkehr. 

Es fing an, als ich die Wärme und den Wind auf der Haut spürte. Den so typischen Duft der Plastikwasserflaschen roch. Und es ging weiter, als ich das Haus hier betrat. Alle mich so herzlich umarmten. 

Und es geht weiter jetzt, wo das Baby in der Etage über mir leise niest, Stimmen murmeln. Schritte im Haus laufen, eine Mücke mich umkreist, der Duft von Räucherstäbchen zu mir zieht und ich hier mit meinem Bettzeug liege unter dem Himmel irgendwo in Kathmandu. 

 

Ja. 

Alles strömt. 

Ich bin ganz da. 

 

Jetzt. 

In Nepal. 

 

 

*

 

 

 

 

 

weiter

zurück