Immer glücklich sein??? Oder vom Mut, ALLES zu fühlen

 

Mit einigen meiner ganz nahen Frauen tausche ich mich über Sprachnachrichten sehr intensiv aus. Neulich war unser Thema das Leiden.

Immer wieder ermutigen mich die Frauen, Dinge die ich so spreche, aufzuschreiben und hier einzustellen. Ich persönlich halte das meiste eher für, nun ja, ziemlich normal was ich so sage, merke aber aufgrund der Bitten, dass dem nicht so ist. Deshalb werde ich immer wieder mal gesprochene Gedanken hier teilen, auch wenn es wahrscheinlich etwas holperig ist und der Klang fehlt. Aus dem Moment heraus für, mit und wegen eines anderen Menschen Gesprochenes, entfaltet eine andere Intensität und Berührungskraft, als diese Worte hier nur zu lesen. Klang schafft Bedeutung und transportiert Sinn und Mitgefühl.

 

Und dennoch …

 

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Immer glücklich Sein??? Oder vom Mut, ALLES zu fühlen

 

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir, wenn wir danach streben immer glücklich sein zu wollen, völlig am Menschsein vorbei leben. Denn häufig ist dieses Streben nach Glück damit verbunden, dass es alles Schmerzvolle und „Dunkle“ nicht geben darf und wir es weghaben wollen.

Ich erfahre über die vielen Jahre meines nunmehr 48jährigen Lebens immer deutlicher, dass alle alle alle, wirklich alle Gefühle zu unseren Leben und zu uns als Menschen dazugehören und dass es darum geht, sie in dem Moment wo sie aufkommen, sich ausbreiten und uns erfassen, mit ihnen zu sein. Sie wirklich als körperliche Reaktion zu spüren und ganz bewusst und wach mitzubekommen, was gerade geschieht.

Im Gefühl zu stehen. Zu sitzen. Zu liegen. Zu sein.

Das Gefühl zu erleben.

Das heißt jedoch nicht, etwas zugespitzt gesprochen, im Drama aufzugehen und das Gefühl durch z. B. Selbstmitleid zu verstärken, wild um sich schlagend auszuleben oder gar künstlich zu erzeugen, sondern das Gefühl in meinem Körper zu erfahren. Es geht darum, alle Gefühle die immer mit einem  körperlichen Ausdruck einhergehen, mit oft sanften oder aber auch zum Teil sehr heftigen Körperempfindungen von Hitze, Kälte, Übelkeit, Schwindel, Bedrängung, Getriebenheit, Druck, Schwitzen, Unruhe, Enge, Auf- und Absteigen, Tränen, Wallungen, Zusammenziehen, Wundheit, Atemlosigkeit, Anspannung zu erleben und damit zu sein und dank des bewussten und mutigen Erlebens in Frieden zu finden.

Wichtig ist es, diese für viele Menschen eher meist unbewusst erlebten und doch vorhandenen Körperempfindungen nicht durch ein Ausweichen in die Gedanken, durch rumkauen, rumbeißen, zergrübeln, analysieren zu verlagern.

Das reine Gefühl der Traurigkeit, das reine Gefühl der Wut, des Zornes, der Angst, der Bitterkeit ist menschlich, ist zutiefst menschlich und gehört zu uns dazu. Wenn man immer nur die Wonne sucht, das Glück, die Freude oder all das schmerzvoll Empfundene ausschließt, nicht haben will, wird die Ebene der Gedanken, des Mentalen immer größer und verschiebt sich vom Spüren und Fühlen in ein Übermaß an (kreisendem) Denken, dass zu keinem Ergebnis, keiner heilsamen Veränderung führt. Das sind dann oft die Menschen, die von sich sagen, ich denke fühlen.

Ich bemerke, dass Menschen die ausschließlich, ich nenne es mal „hochschwingend glücklich sein wollen“, sich selbst gefangen nehmen und hart werden. Gegenüber sich selbst. Gegenüber anderen. Und vor allem, dass sie ausgrenzen. Die anderen „ach so niedrig Schwingenden“ und sich selbst auch und sich damit abschneiden vom Leben.

Das Gefängnis entsteht, weil sie den intensiven Ausdruck des Lebens in ALL seinen Facetten als nicht dazugehörig oder besser als nicht zu ihnen gehörig akzeptieren.

Stell dir mal eine Welt vor, in der es keine Traurigkeit gäbe? Eine Welt ohne Zorn. Eine Welt ohne Verluste. Eine Welt ohne den Tod. Wollen wir das?

All das ist schmerzvoll.

Ja.

Natürlich.

Und?

Na und !

Es gibt kein Leben ohne Schmerz.

Stell dir mal eine Welt vor ohne Mitgefühl. Wäre ja nicht mehr notwendig, wenn alle immer glücklich wären.

Eine Welt ohne den Segen des Tröstens, des getröstet werden, des trösten können und trösten dürfen. Des im Schmerz füreinander da sein. All diese Geschenke, die wir uns gegenseitig in schweren Lebensphasen machen.

 

 

Wer Schmerz vermeiden will, lebt in Gefangenschaft.

Wer Schmerz sofort weghaben will, lebt in Gefangenschaft.

 

Es gibt kein Leben ohne Schmerz.

Doch es gibt ein Leben ohne Leiden. Ich kann Schmerzen haben und daran leiden und ich kann Schmerz erfahren, ohne daran zu leiden.

Schmerzen des Körpers. Schmerzen des Herzens. Schmerzen des Geistes.

Sie gehören zum Leben dazu und werden immer zum Leben dazu gehören.

Es gibt kein Leben ohne Schmerz.

Doch es gibt ein Leben ohne Leiden.

Ja.

.

 

Deshalb meditiere ich.

Deshalb praktiziere ich Yoga.

Um das Leiden am Leben und alles was das Leben schon in meinem Körper als nicht wirklich im Moment gefühlte Gefühle in den Zellen abgelegt oder als ein flutendes Übermaß an einem zuviel an überwältigenden Ereignissen in den Zellen vor langer Zeit gespeichert hat, aufzulösen. Es ist ein ganz, ganz langsames freigeben. Ein ganz, ganz langsames frei werden.

 

Wie sagte mal ein alter Lehrer:

„Die Fäden, die Verwebungen der Vergangenheit lösen.“

Ich kann sie lösen indem ich mutig das fühle, was ich spüre.

Das ich mich spüre.

Jetzt. Und in jedem neuen Moment. 

Denn  J E D E S  Gefühl will einfach nur gefühlt werden.

I c h  will einfach nur gefühlt werden.

V o n   m i r   s e l b s t .

(Und ganz wichtig: V o n   a n d e r e n   M e n s c h e n   a u c h .) 

Immer wieder neu.

 

Und es hört nicht auf.

Es wird nie aufhören.

 

Weil wir Menschen sind.

 

Wir werden als hochempfindsame, fühlend, spürende Wesen geboren.

A L L E.

Wir fühlen.

Und wir können  a l l e  fühlen. Auch wenn wir vielleicht bisher ein Leben lang fühlen nur gedacht haben und nicht gespürt.

 

Manchmal ist JETZT aber keine Zeit zum durchstehenden Fühlen und Spüren. Kein Raum. Nicht der passende Moment. Zu viele Menschen. Zuviel zu tun. Unangemessen. Zu nah. Zu verletzlich. Oder bei heftigen Gefühlen nicht gehalten genug.

Dann staut es sich in uns.

Erzeugt Gereiztheit. Zweifel. Unsicherheit. Ärger. Wut. Bitterkeit. Ironie. Zynismus. Sarkasmus. Gehässigkeit. Giftigkeit. Formt eine Gestimmtheit, die sich wie ein Nebel über alles legt. Den Blick verstellt. Das Erleben verzerrt. Und dadurch unser Handeln, unser miteinander sein, seine Liebe verliert. 

Und manchmal staut es sich an, weil wir im Moment des Aufkommens nicht wach genug oder nicht mutig genug sind, es wirklich zu fühlen.

Es ist so leicht, sich abzulenken. Auszuweichen. Vor sich selbst auszuweichen. 

So unglaublich leicht. 

Egal was der Grund ist – es braucht Rückzug und ein bisschen Stille und Zeit für dich, um dich zu spüren und das Angehäufte sanft und behutsam hintastend sich zeigend, geschehen zu lassen und ihm Raum zu geben. Und manchmal, oft sogar braucht es Menschen, in deren Gegenwart wir spüren und fühlen können, weil sie uns Sicherheit schenken und Ruhe und es dadurch leichter wird.

 

Nimmst du dir hin und wieder Zeit dafür?

Zeit zum Spüren?

Zeit für dich?

 

Jetzt?

 

Ja. Jetzt gleich.

J e t z t

 

Was spürst du?

Was ist gerade in dir?

Wie fühlt sich dein Körper an?

Wie fühlt sich deine Atmung an?

Wie fühlt sich dein Herz an?

 

Ja. Dein Herz.

Wie fühlt es sich an?

 

Leg mal deine Hände auf dein Herz. Schließe deine Augen und spüre  d i c h  unter deinen Händen.

Spüre den Stoff an deiner Haut. Spüre deine Wärme. Deine Atembewegungen. Das auf und ab.

Spüre dein Herz.

 

 

  E   T   Z   T

 

 

 

 

Und übrigens:

 

A  L   L   E   S      

z u

s p ü r e n

m a c h t   ( ü b e r    d i e    Z e i t )

t i e f   

z u f r i e d e n   

u n d   

a u c h

g l ü c k l i c h.

 

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