Ein Jahr später

 

 

4. November 2018. Abreisetag FrauenZeit.

4. November 2019

Ein Jahr später.

Mein freier Montag. Ich stehe auf und dehne und strecke mich genussvoll in den Tag hinein. Höre indische Musik – wie jeden Morgen – seit einem Jahr. Ritualisiert unterstützen mich die Klänge, mir Zeit für mich und meinen Körper zu nehmen.
In Ruhe den Tag zu beginnen.
Den Körper bewusst waschen – liebevoll salben.
Mir duftende Öle aussuchen.
In den Spiegel schauen üben.
Mir Schmuck überlegen.
Ich gehe in meinen Garten. Mich öffnen durch eine neue Tür. Eine neu zu bauende Türe – an deren seit Jahren gewünschte Existenz Du mich in diesem Frühling erinnert hast. Öffnungen. DANKE!

Ich genieße den stillen Spaziergang, betrachte die Pflanzen, den Himmel und bin erfüllt von Zärtlichkeit und Liebe. Frühstücken. In Ruhe die Küche  aufräumen. Mal den Schrank gründlich reinigen. Spülen. Radio wieder ausschalten. Bei mir bleiben. In aller Ruhe bereite ich mein Mittagessen zu. Die Zutaten dafür habe ich bereits am gestrigen Abend zurechtgelegt. Ich denke über Gewürze nach. Was könnte wohl zu Fenchel und Paprika passen. Die Gewürzschublade lädt mich zum Experimentieren ein. Ob Reis oder Brot – dazu spüre ich heute. Schneide frische Blumen für den Esstisch. Decke den Tisch für mich. 

So ein Montagmorgen war vor einem Jahr nicht möglich. Ich hatte keine Kraft mehr für mich. Keine Kraft mich zu sehen, zu fühlen, zu bewegen.

Mein Leben hatte mich nach vielen wütend wütenden Jahren erschöpft. Ich konnte die linke Schulter kaum bewegen. Jegliche Bewegung schmerzt. Tag + Nacht kennen nur noch Schmerzen. Die todmüde Kriegerin ergibt sich dem Körper.

An manchem Tag kam ich nicht einmal mehr die Treppen hoch. 

Auf allen Vieren.
Ich denke Yoga könnte gut sein. 

Die Yogastunden, in denen ich den verdrehten Hund zu üben hatte, waren nicht gut für mich. Ich hatte keine Lust mehr dort hinzugehen. Es war deprimierend, all die äußeren Formen nicht zu erfüllen. Mich in Glaubenssätzen wie „unsportlich“ + „unbeweglich“ zu bestätigen. Mein Körper erstarrt mit Schmerzen.

Ich lerne Kati kennen. Vertrauensvoll entscheide mich, erneut Vipassana und Yoga zu üben. Mit Kati. Das soll Yoga sein? Ich darf einfach nur liegen und ruhen? Mein Körper will ruhen. Stundenlang. Tagelang. Wochenlang. Monatelang.
Mit viel Geduld üben wir dehnen und strecken. Verklebtes löst sich allmählich. Viel Wasser trinken. Körperzellen regenerieren sich allmählich. Dürfen ruhen.
Ich habe den Impuls, mit Kati Yoga vertieft üben zu wollen – eine Woche abtauchen und eintauchen.  Aus meinem Alltag raus.
Wir reisen im November 2018 für eine Woche FrauenZeit auf eine der ostfriesischen Inseln. Nachsaison. Ruhe. Still. Einfach sein. Ebbe und Flut. Frischer Wind. Yoga üben. Zusammen Lebensmittel einkaufen. Mit Kati die Kunst üben, freudig Essen zuzubereiten. Das Würzen der Speisen kennenlernen. Neue Kleider anprobieren. Pausen einplanen. Üben, üben, üben. 

Die Woche schenkt mir eine neue Basis. Ich beginne mich zu spüren und zu fühlen. Den eigenen Körperimpulsen folgen. Wann ist es genug? Mir Pausen erlauben. Wann ist mir etwas zu viel? Für was stehe ich zur Verfügung? Was hat ausgedient? Die Kunst nein sagen zu üben. Wie fühlt sich mein seelischer Einklang an? Was ist stimmig – jetzt?

Bewegung kommt in meinen Körper. Von innen heraus. Ich bewege mich. Ich reise. Lasse mich vom Lebensfluss inspirieren. Treiben. Übe, dass „es“ durch mich hindurchfließt. Übe die lange Weile. Einatmen. Ausatmen. Freue mich darauf, die kommenden Wintermonate bei mir zu sein.

DANKE liebe Kati für Dein stets einfühlsames Wesen, das meiner Seele behutsam wieder ein ihr Zuhause geöffnet hat.
DANKE für die Überraschungen am Entlang meiner Reiseroute.
DANKE für den liebevollen Halt, der mir die Sicherheit und Geborgenheit schenkte, wieder Zuhause einzuziehen.
DANKE für Dein allerfeinstes Gespür für Gefühl.

 

Anonym, Bergisches Land