Angekommen mittendrin oder: Darf ich das?

 

 

Achtung: Jetzt wird es rundum erfüllend und das muss man wollen!

 

 

Immer wieder werde ich gefragt, wie es mir denn nun gehe in meiner neuen Heimat.

In Dresden. Auch Elbflorenz genannt.

 

Seit Mai nun lebe ich hier und beantwortete die Frage schon oft.

Ich beantworte diese Frage wirklich gern, auch, weil mein Körper dabei in jeder Zelle spürbar fein erleuchtet und sanft rauschend vibriert wenn ich spreche. Meine Augen weiten sich, strahlen und werden himmelblau. Ich bemerke, wie dieser Glanz auf den oder die Fragende übergeht.  Ein Freund sagte mal zu mir, Kati, je glücklicher du bist, desto blauer und klarer sind deine Augen. Es stimmt und ist auch von innen spürbar.

Dresden ist wunderbar und ich bin seit Mai, ach eigentlich seit dem vergangenen letzten Sommer schon, verliebt in diese Stadt mit allem was sich, nun seit vier Monaten hier lebend, jeden Tag mehr zeigt.

Es ist ein großes, großes Geschenk hier zu sein.

Es ist ein mich flutendes Glück.

Es ist Dankbarkeit pur.

Es ist eine beständige ruhige Freude. Auch an Tagen von Traurigkeit, die manchmal zum Kummer wird. Auch in den Stunden des Zweifels. Oder in Momenten klebrig festgehaltener, schmerzvoller Erinnerungen.  

Es ist ein immer wieder aufkommendes Überlaufen. Ja. Ich laufe auch jetzt noch, nach vier Monaten hier leben, mindestens einmal täglich über – indem mir einfach so die Tränen in die Augen laufen. Weil ich es so genieße, hier zu sein.

Inmitten der vielen freundlichen Menschen. Unter der Weite des Himmels über der Elbe. Inmitten der Kunst und Kultur, die hier zuhause sind. Seit langer, langer Zeit schon. In den Jahrhunderten gewachsen. Gelebt. Überschwemmt. Zerstört und immer wieder neu belebt.

Dresden – die auferstandene Stadt.  

Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich weiß und spüre und erfahre wie es sich anfühlt, am richtigen Platz und am richtigen Ort in meinem Leben angekommen zu sein. Im richtigen und genau passenden Lebensgefüge.

Verbunden. Allein lebend. Frei.

Ich wusste nicht wie erfüllend es sich anfühlen kann, wenn das Innere, das was mich mit allen vielschichtigen Facetten ausmacht, sich im Außen wiederfindet und wie sich innen und außen miteinander verbinden zu einem widerstandslosen Dasein. Und ich mich dadurch in die Weite und ich mich dadurch in die tiefe Verbundenheit mit allem, ja mit allem hinein geschehe.

Ja.

Das ist es.

Es ist ein hinein geschehen werden, ein hinein geschehen sein in das verbunden sein.

Innen und außen sind nun erstmalig dauerhaft verwoben  miteinander, dass es diese Trennung gar nicht mehr gibt und sie auch sprachlich eigentlich gar nicht mehr notwendig ist. Das macht mich glücklich und dankbar und ruhig  und friedlich und so lebendig.

Alles gleichzeitig. Und ist zugleich in seiner Dauerhaftigkeit noch so ungewohnt.

Es fehlen mir die Worte, es gut zu beschreiben. Immer wieder neu versuche ich, mit Worten diese völlig neue Lebenssituation einzufangen.

Ja. Ich bin am richtigen Platz.

Ich bin am richtigen Ort.

Endlich.

Nach drei Jahren des Wartens und Wissens, dass sich eines Tages der Ort wo ich wirklich leben möchte, zeigen würde.

Und nun, seit Mai hier im Ankommen ist es ein ständiges, großes Staunen.

Eine enorme, kaum fassbare Dankbarkeit, die mit jedem Tag mehr wächst und sich langsam zu einem ruhenden Urgrund ausbreitet. 

Ja.

Mein Altbaureich hier am Martin-Luther-Platz direkt neben der Luther-Kirche macht, dass ich in Großzügigkeit leben darf. Raum, den ich genieße und Raum, den ich erneut teilen möchte. Erneut teilen werde. Im Rahmen der Frauenzeiten, die es nun auch für Männer geben wird.

An einem wunderbar altmodischen und ruhigen Ort, mittendrin im alternativen Kunst- und Szeneviertel, an dem manche der alten Bürgerhäuser der Jahrhundertwende an Paris erinnern (so sagte man mir, ich selbst war noch nie in Paris). Neben „meiner“ den Platz bestimmenden BlütenKirche, deren Altarraum fast auf einer Höhe mit meinem Zuhause liegt. Ich sage so gern: Ich lebe und wohne und schlafe neben dem Altar.

Und zugleich sitze ich in üppigen Baumkronen, denn ich wohne küchenseitig auf Augenhöhe mit zwei Bäumen und all den vielen Vögeln und Insekten darin. Und als im Mai die beiden Akazien blühten, war ich in meiner Küche umgeben von ihrem betörenden Duft. Ach es gibt so viel zu schauen so nah dran am Leben der Tiere. Ich könnte stundenlang auf meiner kleinen Balkonbank sitzen und nur schauen. Das reicht. Mehr braucht es nicht.

Ja. So reich.

In mir lebt mit jedem morgendlichen Aufwachen neu pure Dankbarkeit für meinen Mut, meiner inneren Stimme zu folgen, nachdem sie vor einem Jahr an einem Sommermorgen bei einem meiner jährlichen  Dresdener 24-Stundenbesuche unten an der Elbe leise und bestimmt zu mir sagte: Hier möchte ich leben.

Und ich entdecke hier so vieles neu.

10 Jahre lang gab es so gut wie keine Kunst in meinem Leben. Keine Kultur. Selten Bücher, wenn dann meist Fachbücher. Selten Musik.

Ganz bewusst gewählt.

All das kehrt nun zu mir zurück in seiner ganzen erfahrbaren Schönheit. In einer Durchdringung und Durchlässigkeit, die in dieser dauerhaften Weitung noch neu und ungewohnt für mich ist.  

Alles berührt mich.

Tief.

Sanft.

Innig.

Auch, noch inniger als sonst, der Wind auf der Haut unten in der Weite des Flusses, die Regentropfen die ich spüre, jeden einzelnen, die Morgensonne wenn ich jetzt im Sommer um fünf Uhr die drei Minuten zum Fluss laufe und ihr Aufsteigen erlebe. Alles ist so sinnlich und nährend und füllt jede meiner Zellen an. Das Leben lebt in mir, es schwingt in mir. Es ist ein einziger großer Klang, eine einzige große Schwingung in die ich hineingewebt mittendrin welle.

Neu lebendig werdend.

In langen Jahren nun endlich neu geboren. 

Ja.

Soviel Dankbarkeit für meinen Mut. Mein Vertrauen. Mein Wissen.

 

Ja.

 

Ich bin verliebt.

Verliebt in Dresden.

Und ich wusste nicht, dass ich mich einmal so innig in eine Stadt verlieben könnte.

Eine Stadt, die all meine Liebesfähigkeit annimmt, ohne sich bedrängt zu fühlen.

Ja. Ich bin verliebt.

Verliebt in Dresden.

Verliebt in das Leben.

 

Und verliebt in  mich .

 

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Was, wenn es für jeden Menschen diesen genau richtigen Platz im Leben gibt?
Dort, wo wir wie Pflanzen mit allem was da ist, blühen könnten, uns im steten Wechsel der Jahreszeiten wandeln könnten, vertrauensvoll & natürlich dem Lauf der Dinge folgend, zurückziehen und wieder neu erblühen? Im ständigen Pulsieren von Dunkelheit und Licht? Unter den ganz eigenen, optimalen Bedingungen alles mit Vertrauen als Leben nehmend?

Wären wir dann alle verliebt?

Wären wir dann alle leichter fähig mit allem zu sein, auch mit all dem Schmerzenden was in uns und in anderen Menschen wohnt und was wir immer wieder auch erleben werden?   Wären wir dann mitfühlender? Wären wir freundlicher? Wären wir mehr Mensch in seiner  Vollkommenheit? 

 

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Ich habe nach vielen Jahren des Wünschens und danach Sehnens meine persönliche Quadratur des Kreises gefunden. 

Es ist verrückend.

A l l e s   in mir richtet sich neu aus.

Das fordert.

Macht, dass das Körperchen viel schlafen möchte. Viel Ruhe braucht. Gutes Essen. Gutes Wasser.

 

S t i l l e s    N i c h t s  

 

 

Irgendwann einmal las ich: Leben sei wie „Ferien jeden Tag“.

Und so bin ich inmitten meines Lebens jeden Tag ein staunendes „Ferienkind“. 

Lasse mich beherzt sinken in diese lebendig werdenden Worte. 

Ja.

Leben ist wie Ferien jeden Tag.

Ich sinke in diese erlebbar werdenden Worte

und zugleich ist es ein Fallen in ein

verwurzelndes Dasein ohne festen Boden

 

Mitten hinein. 

Ins Leben. 

 

 

 

Und dennoch …

 

… und dennoch

gibt es ganz leise in mir die zaghafte Frage:

 

 

Darf man das? 

Darf ich das? 

 

Darf ich in dieser Welt, mit allem was in ihr existiert,

so erfüllt leben?

 

 

 

 

 

 

 

W i r k l i c h ?