25. März

 

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Eine tief schwarze NachtStromausfall.Überall

Was bin ich dankbar dafürFür diese gestillte tief schwarze NachtRuhend im dunklen Schoß des Lebens

 

Vom Tode 

 

 

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(15:00)

Über den Mut 

Schon so einige Nachrichten erreichten mich mit dem bewundernden Satz, dass ich so mutig sei, hier auf dieser Reise. 

Und ich kann euch sagen, dass es hier keines Mutes bedarf. 

Nein. 

Wirklich.

Es braucht hier keinen Mut. 

Den Mut brauchte es, als ich im Herbst nach meinem Fahrradsturz entschied, meine Wohnung aufzugeben und für die kommenden Monate frei vom Wissen wann es sich neu zeigen würde, so ganz ohne mein eigenes, mich wirklich umhüllendes, mich mit jedem Zentimeter atmendes Reich zu sein.

Den Mut brauchte es, als ich entschied endlich endlich endlich allein loszugehen, ohne Adriaan, der besonders auf Reisen die fast übernatürliche Fähigkeit besitzt, mich zu schützen und weit weit vor mir zu spüren, wenn ich in eine zu fordernde Dysbalance gerate. (Und ganz ehrlich, ich spüre mich echt gut.)

Den Mut brauchte es, mich wissentlich „der Gefahr“ der mich bis dato sehr verletzlich machenden Entgrenzung zu stellen, weit weg von Adriaan, in Asien, diesem Kontinent mit all seinen Andersartigkeiten und seiner intensiven, tief menschlich, lebendig natürlichen Sinnlichkeit. 

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Den Mut brauchte es, als ich mich entschied, mir trotz immer wieder Zeiten der Schwäche, endlich erneut ganz zu vertrauen.

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Zu vertrauen darauf, dass ich spüren würde was zu viel ist und was zu wenig. Darauf zu vertrauen, dass mein Körperchen mir alles zeigen würde und ich nur auf ihn zu hören bräuchte. Ein ständiges leise liebevolles Lauschen – egal wie laut und bunt und schnell das Leben drumherum gerade ist. Immer. 

Und das ich fremde Menschen um Hilfe bitten könnte, wenn ich Hilfe benötige. 

Den Mut brauchte es, als ich entschied, meine schulmedizinisch voll ausgestattete, schwergewichtige Reiseapotheke zuhause zu lassen und auf die leichtfüßige Homöopathie zusammen mit einigen kostbaren, hochwirksamen öligen ägyptischen Duft-Essenzen und (dank persischer Hausmittel-Empfehlung für Reisen) mehrfach täglich roher Zwiebel vor dem Essen samt ganz deutschem Klosterfrau Melissengeist zu vertrauen. 

Und das mit einem zwei Tage vor Reisebeginn schmerzendem Zahn. Also ab zu Mutsch’s russischer Zahnärztin. Ich kenne sie nicht. Sie mich schon. Ziemlich gut sogar. So wie Mutsch Mutter dreier Kinder. In ihrem Fall dreier Töchter. Also ein Foto machen. Eine Entzündung eines behandelten Zahnwurzelrestes. Dringende Empfehlung: Hochwirksames, spezifisches Antibiotika. 

Sofort. 

Lautes Lachen meinerseits auf dem Zahnarztstuhl. Wie so oft wenn etwas so ganz anders kommt als vorgestellt.

Ich und Antibiotika. 

Halleluja. 

Ab in die Apotheke. 

Antibiotika in der Tasche. 

Und: Eine dringende Nachricht an eine meiner ganz ganz nahen Frauen versenden. Homöopathin. 

Per Eilbrief bekomme ich zwei Mittelchen. 

Sie erreichen mich mittags um 12 am Abflugtag. 

Was für ein Segen! 

Und sie wirken. 

Keine Zahnschmerzen.  

Kein Druck. 

Nichts. 

Die ganze Zeit über nicht. 

Nur ein zartes, fast blumiges Ziehen ein, zweimal und dann wirken die Mittelchen. Sofort. 

Unmittelbar. 

 

Kein Durchfall. 

Außer natürlich gestern, am großen Scheißtag 😌

Einmal Erbrechen wegen höhenbedingten Belastungsreizen. 

Und auch dabei hilft die Homöopathie. 

Nux womica.

Und Cola. 

Anja ich danke dir sehr. 

Und Sanni dir danke ich auch ebenso sehr für die kleinen sichernden schulmedizinischen Akzente. Für die gut ausgestattete, wirklich ganzheitliche Hausapotheke die ich nun habe. Und für die Stützstrümpfeempfehlung. Sie sind echt herrlich zu tragen und werden mich weiter auch wärmend begleiten. 

Nein, hier in all den Wochen braucht es keinen Mut. 

Jede Erfahrung, jeder Tag ein so herzlich willkommenes Geschenk. Ein immer währendes großes Ja zu allem. Für ängstlich kontrollierend sorgenvolle worst-case-Mitreisende glaube ich ausgesprochen fordernd. Und trotz allem auch hilfreich. 

Wer weiß … 

Für mich übrigens genauso … 

… überraschend. 

 

Tatsächlich frei in allem. 

 

Trotz intensiver Empfindungen. 

Trotz intensiver Gefühle. 

Trotz intensiver Erinnerungen. 

Trotz drängender Schmerzen. 

Überall. 

Trotz Krankseins.

Trotz Kälte. 

Trotz ewig nicht duschen oder wenn dann einmal solarangehaucht saukalt. 

Trotz fast immerzu derselben Wäsche auf der Haut. 

Trotz Atemenge. 

Trotz viel zu wenig Schlaf. 

Trotz oft viel zu scharfem Essen. 

Trotz allem, an dem man sich mit westlich reinem, geradlinigem Blick immerzu und ständig ganz touristisch nach dem heimisch Vertrauten suchend, reiben könnte. 

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Und: 

trotz allzeit heiligem Gemecker.

Mäh.

(Ok, ok, nicht immer meckert es, aber ganz oft fast immer 😘)

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Ein einziges großes Ja. 

Zu allem. 

 

Der Geist frei. 

Mein Traum wirkt. 

 

So fein. 

Ganz subtil. 

Ohne mein Zutun. 

 

„ G i b   d i c h   h i n .   

E g a l   w a s   g e s c h i e h t .   

G i b   d i c h   h i n . G a n z .   

G i b   d i c h   e i n f a c h   g a n z    h i n . “

 

Ja 

 

Zu wirklich jedem Moment (bis auf zwei minikurze Aussetzer. Mäh, mäh macht es dann in mir 🙏) 

Und ein großes JA auch zu den Momenten eines klar gefühlten und völlig frei ausgesprochenem eindeutigen NEIN. 

Frei von sicherndem Gezicke. 

Frei von überlebendem Kämpfen. 

Frei von ängstlicher Anpassung. 

Frei von innerem Verstummen.

Einfach nur nein. 

Nicht mehr und nicht weniger.

 

Ja. 

 

Das Leben fließt mich. 

Voller Vertrauen fließt es mich. 

Wenn das Leben dich fließt, 

Wenn du dich vom Leben fließen lässt, 

dann braucht es keinen Mut. 

Dann ist alles ganz selbstverständlich Leben, das dich zärtlich oder ganz robust ruppig an die Hand nimmt und mit dem du einfach mitgehst.

Ja. 

 

 

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„ … Öffne dein Herz weit für den Körper des Lebens … „

Dann lernst du mit allem, wirklich mit allem was ist, zu sterben. 

 

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J a 

Warum denn auch nicht? 

 

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Meine Großmutter.

Freundin.

Weise Frau.

Nun sind wir beide ein großes zweites Mal gestorben.

Zusammen.

Gemeinsam.

Beieinander.

In dieser tief dunklen Nacht

Es wirkt in mir.

Ja.

Es wirkt…

Ich kann es spüren.

Und es braucht jetzt viel viel Raum …

 

 

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Heute war ein intensiver Behandlungstag. 

Doktorgespräch. 

Puls fühlen. 

Vata noch immer erhöht. 

(Verständlich, ich spreche soviel wie schon ewig nicht mehr. Hier, mit dir.) 

Lange, lange massiert 

Ein warmer Stirnölguss.

Nase und Ohren in Öl gebadet.

Haare so satt wie nie zuvor. 

Alles an und in mir buttersamtig weich und klar. 

 

Mit den Füßen im Wasser am See gesessen und nur geschaut. 

Gespürt. 

Den Frieden. 

Die Stille. 

 

Später so dankbar weiter gelesen in meinem Buch. 

Und gegessen. 

Natürlich. 

Heute wieder so richtig. 

Und weißt du was? 

Einen jungen Farnspitzensalat. 

Ich war so baff. 

Erinnerst du dich an den klärend befriedenden Traum, den ich dir vor einigen Monaten erzählte? Vom eingerollten, ich nannte ihn Babyfarn und seinen sechs in sich vereinenden Blüten? 

Und hier bekam ich heute Abend genau diesen Farn zu essen. 

Dass man den überhaupt essen kann …

Ich staune. 

„Und weißt du Oma, was das für ein Glück ist, wenn alles sich zu einem unendlichen Punkt zusammenfügt, alles was geschieht sich ineinander legt wie eine große Fügung in einen feinen Teppich voller kleiner und großer Wunder gewirkt?“

Doch eigentlich wollte ich gar nicht das jetzt schreiben. 

Eigentlich war da etwas anderes in mir aufgekommen als ich mein Handy nahm und zu schreiben begann. 

 

Was war es nur? 

Mmh. 

Ich mach mal ne Pause. 

 

 

Da ist es wieder. 

Ich bin gefragt worden, ob ich „Kontakt“ zu dir hätte. Ob du dich zeigen würdest in diesem innigen Zwiegespräch, das ich mit dir nun schon so lange Zeit führe.

Und ich möchte ganz offen darauf für alle antworten.

(Vorsicht, jetzt wird es speziell und es fühlt sich gerade ein bisschen kniffelig für mich an.) 

 

Also:

 

Die Toten, die „frischen“ Toten sollten wir ruhen lassen. Nicht egoistisch klammernd festhalten. 

Sie müssen gehen und ihren Weg finden. 

Wir dürfen sie nicht aufhalten. 

Die frischen Toten sind Tote. 

Noch keine, wie es gerade sehr modern ist zu sagen, Ahnen. 

Meine wirklich sehr erfahrene chinesische Ärztin, westliche Medizinerin, Ethnologin, Sinologin & schamanisch wirkende und beeindruckend wissende Christine sagt, Ahnen seien die, die mindestens sieben Generationen zurückliegen. Sieben Generationen! 

Und für deren Energie kannst du dich ritualisiert öffnen. (Ja!) Oder du bist so offen, dass sie immer da ist. (Ja!) 

Immer spürbar. Unterstützend. Schenkend. Voller Liebe. Warm. Sanft. Nährend. Samtig seidig. Diese Energie ist nicht persönlich. Sie ist hell & weit und wie ein dich umhüllender weicher Schal. 

Alle anderen sind Tote, die ihren Weg finden müssen. (Christine unterscheidet ganz klar und eindeutig zwischen Toten, Geistern und Ahnen.) 

Und das genau ist meine Erfahrung auch. 

Zuerst, die ersten Wochen warst du da. 

Oft ganz nah.

Und dann löstest du dich immer mehr von dieser für mich noch spürbaren Ebene des Lebens. 

Und wie ich schon schrieb, schlüpfte mit deinem Sterben in diesen Wochen danach etwas von dir in mich hinein und formte dich in mir noch mehr aus. Eine Zeitlang schrieb ich sogar in deiner Handschrift, was mich ziemlich beeindruckte. 

Das ist nun viereinhalb Jahre her. 

Und jetzt, jetzt bist du „nur noch“ eine innige, warme Erinnerung.

Ein großer weitender Klang in meinem Herzen. 

Ein Duft.

Manchmal eine überraschende Begegnung in einem anderen Menschen, die ungewohnte Vertrautheit schenkt und Sehnsucht weckt. 

Aber du, deine Energie ist weg. 

Weit weg. 

Du findest deinen Weg. 

Oder hast ihn gefunden.

Und das ist gut so. 

So soll es sein.

So ist es richtig. 

Christine schrieb im letzten Jahr den für mich donnernden, an die lesenden Menschen gerichteten Satz mit fast unfassbarer, enormer Tiefe: 

 

„ D e i n e   w i c h t i g s t e   A h n i n   b i s t   d u . “

Meine wichtigste Ahnin bin ich selbst.

Ja. 

 

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Du lebst in mir. 

Schon seit ich geboren wurde. 

Und alles, wirklich alles was jemals war, auch. 

 

 

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