27. März

 

 

*

 

Ich liege wach an diesem frühen, noch tiefdunklen Morgen in dieser so warmen Sommernacht. 

Schon lange schaue ich in die wenigen kleinen Lichter in der Ferne der Berge. 

Und atme. 

Alles ist samtig in mir in dieser seidigen Sommernacht.

Mein Schlaf. 

Mein Lächeln. 

Mein Blick. 

Mein 

Ich.

Ein großes samtig-seidiges dunkel ruhig schwingendes Herz, das lächelnd mich atmet. 

 

 

*

 

 

Der Hahn kräht.

Ein paar Grillen sind auch schon wach. 

Stille. 

 

Zeit an dich zu schreiben meine große Kleine. 

Jetzt an diesem letzten ganzen Tag hier am Begnas Lake. 

Eine letzte lange Behandlung.

Wie fast immer um elf. 

Ein letztes langes Ruhen danach. 

Wie immer eine Stunde.

Dann duschen. 

Lesen vielleicht. 

Ein bisschen Zeit in der Küche, um die Geheimnisse um Alu Porata zu entdecken.

 

Und Zeit für nichts tun. 

Sein. 

Ganz Hineinsinken in die Weite zwischen aus- und einatmen. 

 

Und später dann den Rucksack packen. 

Halleluja. 

Das wird ne Aufgabe.

Da brauchts nen guten Plan glaube ich. 

Jeden Zentimeter auskosten und hoffen, dass das Gewicht 25 Kilogramm nicht übersteigt. 

 

Jetzt erwacht der erste Vogel. 

Oh wie ich es liebe.

Ich und der erste sprechende Vogel. 

So schön. 

In dieser warmen, so sinnlichen Sommernacht. 

 

Durst. 

Viel Knoblauch gestern Abend. 

 

Ich werde mir ein Wasser kochen und mich ans Fenster setzen. 

Und mich mit der Dämmerung in den Tag ausbreiten … 

 

 

Guten Morgen meine Kleine

 

 

 

 

 

 

 

 

*

 

 

 

 

Wenn wir lang genug an einem Ort sind, an einem Ort im inneren weiten Raum verweilen können, gestillt und wiederkehrend jahrelang, zeigt sich irgendwann, ganz allmählich alles klar und eindeutig sichtbar. 

 

 

 

 

*

 

 

 

 

 

Ich denke an deine letzten Wochen 

 

Tage.

 

Stunden. 

 

Im September. 

 

Ich denke an Deinen letzten Atemzug. 

 

Dein letztes langes Ausatmen. 

 

Und dass nicht mehr sich neu gebärende Ein. 

 

Ich denke an die ewige Stille, in der sich alles alles auflöst in das große Eins hinein 

 

Ja … 

 

 

 

 

 

 

 

J E T Z T

 

 

 

 

 

 

 

 

… Leichtigkeit & Liebe erfüllen den Raum,

eine große Freude und unendliche Dankbarkeit

und das Gefühl zu schweben

 

Es ist vorbei.

Sie hat es geschafft.

 

 

 

 

 

 

Losgelöst

 

 

 

 

 

F r e i

 

 

 

 

 

 

.

 

 

 

 

 

 

Ich singe 

Ich singe 

Ich singe 

und singe 

und singe 

 

Singe 

 

… 

 

Ich singe ganz leise mein Lied für dich … 

 

 

 

Und nun endlich, nach mehr als vier Jahren, vier langen Jahren spüre ich 

 

 

 

*

 

 

F r i e d e n

 

 

 

*

 

 

 

Es ist nicht mehr wichtig, dass ich mein Versprechen nicht halten durfte. 

 

Es ist nicht mehr wichtig, nicht zu wissen wie es dir ging. 

 

Es ist nicht mehr wichtig nur eine Ahnung zu haben, ein Gespür, ein Gefühl für dich und deine letzten Wochen. Draußen nachts auf dem Balkon. 

 

N U R  eine Ahnung, ein Gespür, ein Gefühl zu haben für deine letzten Tage. 

 

Stunden. 

 

Deinen letzten Atemzug. 

 

Dein vielleicht langes letztes Ausatmen

 

… und die ewige Stille, in der sich alles auflöst 

 

 

 

 

*

 

 

 

E s   i s t   v e r g a n g e n

 

 

 

*

 

 

 

 

Weinend sitze ich hier an diesem neuen Sommermorgen, in mir noch die warmen Spuren der samtig-seidigen Nacht, mich umhüllend wie ein weiches Tuch.

 

Weinend und bewegt von dem Wunder des Sterbens, weinend und bewegt von dem Wunder des Todes

 

 

Gegangen gegangen, den ganzen Weg gegangen

 

 

*

 

Gegangen in Liebe

 

*

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

*

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

07:00

 

07:00

 

 

 

*

 

18:30

 

Regen.

 

Es regnet. 

 

Wie die meisten Tage hier am frühen Abend. 

Regen lässt Blumen blühen… 

… und Abschied Rosen. 

 

Als du gingst, sagte damals der kleine Moritz zu seiner Mama: „Es duftet nach Rosen. Das ist bestimmt die Oma Rosi.“

Als ich heute ein letztes Mal in den Behandlungsraum kam, lagen, anders als sonst, am Platz für meinen Kopf drei winzig kleine, zart duftende Rosenblüten. 

Ja. 

Ein großer Regentag ist das heute. 

 

Ich sehe die Klarheit des Himmels und seiner fernen hohen Berge, heute, und die Tränen, sie laufen über. 

Ich sitze beim ausnahmsweise sehr späten Frühstück, eingehüllt in meinen weichen wärmenden Schal, und die Tränen, sie laufen über. 

Ich gehe die Wege in der Sonne entlang und spiele wie fast jeden Tag mit den beiden einstmals Straßenhunden, die nur noch zwei Hinterläufe haben. So viel zärtlich verspielte, neckende Liebe zwischen uns. 

Und die Tränen, sie laufen über. 

Ich sitze beim letzten Doktorgespräch, er will wissen wie es mir heute geht, und die Tränen, sie laufen über. 

Ich sehe Biba mit ihren mütterlich schenkenden Händen, meine Behandlungsliege, die Rosen, und die Tränen, sie laufen über. 

Sie laufen über 

beim massiert werden 

während des langen warmen letzten Stirnölguss

Beim Duft des Rosenwassers, mit dem heute mein Gesicht besprüht wird 

beim Juice trinken 

am Wasser sitzend 

als ich die Sonne spüre und den sanften Wind 

auch beim Duschen, lange, mit heißem Wasser 

beim Ankleiden 

beim späten Lunch ganz allein  

während des Nachmittagsschlafes 

und beim Einpacken. 

Beim kleine Dankesbrieflein schreiben inmitten des Stromausfalls

 

… und jetzt auch. 

Beim mächtig rauschenden Regenwind. 

 

Ja. 

Die Tränen. 

Sie laufen über.  

Einfach so 

Immer wieder. 

 

 

*

 

Heilsame Tränen 

 

*

 

 

Tränen der Dankbarkeit 

Tränen der Liebe 

jede Einzelne

einfach so 

Ja. 

 

Jede Einzelne 

ein kostbares Geschenk

.

jede Einzelne pure Liebe 

 

 

*

 

 

 

 

*

 

 

 

 

 

Bei so viel,

mmh, soviel…

Ja, was eigentlich? 

Na   s o v i e l   eben, muss man echt gut essen. 

Sehr, sehr wichtig. 

Echt! 

 

Also gab es heute die Einweihung in die Geheimnisse um Alu Porata, das eigentlich Aloo Paraatha heißt. 

Eine Art festem, chapatiähnlichem Pfannkuchen gefüllt mit Kartoffeln. 

Üppig und köstlich sag ich dir! 

 

Und für mich zum mehr werden, genau richtig. 

Sagt der Doktor. 

Zum Frühstück. Und heute ausnahmsweise mal zum Abendessen. 

  • einen Teig aus Mehl und Wasser kneten
  • gekochte Kartoffeln rasplig reiben und nach Belieben würzen mit: 

Kreuzkümmel . Zwiebel . frischem Koriander . Himalaya Salz . Gewürzmischung Chaatmasala – gibts sicherlich im Asialaden und ich finde bestimmt vielleicht noch morgen heraus, was da drin ist . Schwarzes Salz . 

  • gut vermengen. 
  • Teig flach und rund ausrollen, mit der Kartoffelmasse füllen 
  • zu einem Riesenmomo zudrehen 
  • oberes Zipfelmützchen entfernen 
  • auf dem Hals aufs Brett legen und schön rund ausrollen
  • in einer Pfanne in Ghee von beiden Seiten auf entspannter Flamme in ca. 5 Minuten backen.

Simsalabim: schon fertig und so köstlich

 

 

Danach gab es übrigens auf dringende Empfehlung des Doktors Fisch. 

Frisch gefangen aus dem Begnas Lake. 

 

*

Danke Fisch 

*

 

 

 

 

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