05:15 Der Tag beginnt mit direkten Worten an alle durch meine Augen Mitreisenden bei Whatsapp, Signal und Telegram:
Ich liege schon eine Weile wach und denke darüber nach, ob ich nicht zu viel schreibe und euch die ihr alle mitlest mit meinen Worten Eindrücken, Einsichten und Empfindungen erschlage.
Für Oma könnte ich noch viel mehr schreiben. Sie würde es so lieben.
Aber für euch in euren fordernden Leben die oft mit einem zu wenig an freier Zeit einhergehen, ist da die Sorge zu viel zu sein.
Doch letztlich kann jedeR ja entscheiden, ob wann und wieviel sie liest, beruhige ich mich.
Da ist sie wieder meine Vorsicht … mein oft zuviel an Vorsicht ;), die etwas selbstbegrenzendes oder auch selbstbeschränkendes hat.
Muss das sein?
Nö!
💫
*
16:00
Oh meine große Kleine,
heute habe ich endlich mal geduscht. Nach unserer etwas weiter ausschwärmenden Vormittagswanderung und Momos mit Thakpur zum Mittagessen.
Jetzt gerade liege ich eingemummelt auf meinem Bett, die Sonne scheint ganz warm in unser Zimmer und trocknet meine Leibwäsche, mein dünnes Reisehandtuch hängt im Wind des geöffneten Fensters. Und ich freue mich über die wohligen Gänsehautschauer, die mich noch immer durchlaufen.
Du weißt ja dank Sri Lanka schon, dass duschen 🚿 neben dem Nutzen der Toilette in asiatischen Ländern aus westlicher Sicht ein Abenteuer ist. Ein Abenteuer sein kann.
Hier auch.
Was bin ich froh in der letzten langen Retreatzeit etwas entdeckt zu haben.
Ungewöhnlicherweise war mir da nämlich immerzu etwas zu warm und so entdeckte ich, dass ich auch laukalt duschen kann. In unserer Blauen-Haus-Zeit 2012 begann ich mutig wieder mit dem kalt duschen. Angeregt durch Li, die jeden Morgen, 365 Tage im Jahr in den kalten Bach steigt. Bis eine ayurvedisch bewanderte Freundin der Familie mir aufgrund meiner Konstitution dringend davon abriet.
Was war ich erleichtert.
Und bis zur letzten Retreatzeit unterschied ich nur warmduschen oder kaltduschen. Nix dazwischen. Entweder ganz oder gar nicht. Und dann gab es den oben genannten, großen leuchtenden Moment der Entdeckung des Laukalten.
Herrlich.
Es gibt immer einen mittleren Weg ;).
Auch wenn’s zuweilen sehr lang dauern kann.
Also, um endlich mal zum Punkt zu kommen, das Laukalte der letzten Wochen hat mich wunderbar auf die Solarenergie angehauchte, wässrige Eiseskälte des Wasserhahnduschens vorbereitet.
Herrlich.
Sowas von saukalt.
Es wird wohl ein bisschen dauern, bis mir wieder warm ist. Solange bleibe ich einfach im Bett, freu mich, schreibe und nasche dabei Kardamomschokolade aus Deutschland.
Ja genau die, die du so magst.
Kagbeni.
Kag heißt Krähe und hier fliegen viele, viele Krähen die Felswände hinauf und immer wieder auch höre ich ihre Stimmen. Neben dem Wind, und den Glöckchen an den Hälsen der Pferde, deren Klang mich an mein Tempel- Glöckchen erinnert, den Hähnen am Morgen, den leisen Stimmen der Nachbarn und dem Rauschen des Kali Gandaki sind sie ein bestimmender Teil der Dorfmusik hier.
Kagbeni ist neben dem Startpunkt der Touren für viele Trekker aus der ganzen Welt (gefühlt sind gerade nur wir die einzigen Gäste im Dorf) auch ein wichtiger Pilgerort in Nepal.
Für Hinduisten und Buddhisten gleichermaßen.
Jeder Mensch sollte einmal im Leben hier an den Fluss kommen, um seiner toten Großeltern zu gedenken und ihnen damit den Weg in eine gute, nächste Geburt zu erleichtern.
Dazu baden die Hinduisten ritualisiert im Fluss, eben dem Kali Gandaki.
Die Buddhisten hingegen bespritzen sich nur ein wenig mit Wasser.
Ich bin somit wohl hier genau am richtigen Ort gelandet. Die Großeltern ehren und unterstützen.
Ja.
Meinst du solarangehauchtes eiskaltes Wasserhahnduschen mit dem Wasser aus dem Fluss zählt auch? Ich geh auch noch etwas Wasser spritzen. Versprochen!
😉
*
18:00
Was für ein angefüllter, was für ein erfüllender, was für ein ruhiger Tag.
Schon wieder.
Morgens 6 Uhr im Tempel.
100 Mönche ausgeflogen.
Einer zuhause geblieben und am rezitieren.
Am Tempel so schöne Blicke. Momente. Stimmungen.
Weißt du, Bilder machen auf Reisen ist nicht so einfach für mich.
Ich brauche die Bilder eigentlich nicht.
Fotografiere mit meinem Herzen.
Und damit dann auf immer in jeder Zelle verfügbar – wenn ich mir etwas Zeit gebe zum Erinnern.
Doch gerade finde ich den Weg, das, was ich sehe, erst wirklich zu erleben, dann zu fotografieren oder völlig ohne Plan die Kamera wie nebenbei auszulösen und erst am Abend zu schauen, was es an Eindrücken gebracht hat. Das freut mich sehr.
Und: der Luxus von vier Menschen zusammen unterwegs ist, dass jede ihre Bilder teilt. Ich müsste also gar nicht.
Herrlich ist das!
Also ein angefüllter, erfüllter, ruhiger Tag mit duschen 😉 und eingemummelt sein.
Mit morgendlicher Tempelzeit & Eiszeit-Yoga.
Frühstück mit salzigem Honig-Tsampa, Yakkäse, Masala-Tee &
Frauenfegen.
Schulhofzeit.
Kinderlachen.
Deutsche Worte weitergeben inmitten der strahlenden ruhigen tiefen Augen junger, scheu-offener Mädchen. 14.
Kecke Jungen.
Liebevolle Lehrer.
Nach gefühlt Jahren mal wieder aufs Datum schauen.
Heute ist wohl Freitag, 10.03.2023
Die Menschen die nach Kagbeni kommen sind Trekker auf der Durchreise. Sie bleiben für eine Nacht mit wenig Interesse an den Menschen vor Ort. So sagt es uns Ishva.
Er ging mit uns in die Dorfschule mit Kindergarten und 10. Klassenstufen.
Wir waren sowas von herzlich willkommen.
Es kommen wohl sehr, sehr selten Fremde in die Schule.
So viel Aufregung.
So viel Freude.
So schöne Kinder.
Sie leben mit ihren Lehrern in/an der Schule.
Ihre Dörfer sind viel zu weit entfernt.
Erst in den Ferien gehen sie nach Hause.
Kinder …
Laufen.
Steil bergauf.
Den morgigen Tag mit der ersten 8-stündigen Wanderung nach Muktinath ein wenig kosten.
Beeindruckt sein.
Den Körper spüren und merken wie die Erinnerungen an Zeiten von intensiver langstündiger Körper-Leistung zurückkommen.
Berge Berge Berge
Berge
Klare Luft
und wärmende Sonnenstrahlen inmitten von kaltem Wind
Essen.
Spielen.
Duschen.
Schreiben.
In Dankbarkeit Nachrichten der mitreisenden Menschen aus Deutschland lesen und hören.
So viele Wortgeschenke
So viel Aufrichtigkeit
So viel Nähe
Danke für all eure Dankbarkeit und eure Mutmachworte
&
Danke für eure Liebe
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22:00
Spielen und am Abend in der Kälte warm eingemummelt am Tisch sitzen und auf dem Handy noch meine Worte schreiben
Da gibt´s nämlich noch was:
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Oma, jetzt wird´s delikat.
Nicht für uns beide, wir sparen nichts aus.
Denn du kannst einige tief verzweifelte Geschichten über langjährige Nebenwirkungen von Strahlentherapie im Bauchraum in den alltäglichen körperlichen Bedürfnissen erzählen.
Aber ich finds so lustig, dass ich es jetzt einfach schreibe.
Also:
Weißt du was Befreiung ist?
Im deutschen Autobahn-Stau zwei Autotüren aufzumachen, sich dazwischensetzen und lospinkeln. Können.
Kann ich.
Adriaan sagt immer scherzhaft zu mir, Kati du musst Fotos machen von den schönsten und herausforderndsten Pinkelstellen Deutschlands.
Er hat recht.
Unser langjähriges Seminar-Reiseleben hat mich an viele schöne Orte geführt und zu großer Pinkelfreiheit.
Doch die Krönung ist nun Nepal.
Ich allein im Mustangtal bei Kagbeni.
Laufen,
Laufen, laufen.
Tja. Und dann.
Blieb mir nur noch die Chance, die allzeit mich begleitenden Tupftücher (dieses mein so schönes Wort ist mit viel Freude in unser kleines, feines Frauenreisegrüppchen eingeführt) etwas großzügiger zu nehmen und bei einem einmaligen Blick …
Ich sag dir Oma, herrlich.
Die Krönung hier in Kagbeni.
Oje, jetzt muss ich losprustend so laut lachen.
Was schreibe ich hier nur.
Herrlich.
Mein Bauch, mein Bauch, die Tränen rollen.
Ach, und endlich ist mir wieder richtig warm nach dem solarangehauchten Duschen.
So gut!
Und,
falls ich morgen nix schreibe, mach dir keine Sorgen.
Weiß nicht ob ich Internet haben werde
Und außerdem gehen wir auf 3900 Meter.
Das kann dauern und mal schauen wie das Körperchen so reagiert.
Genügend Tupftücher sind auf jeden Fall dabei. Für alle. 😉
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