Sterben III oder: Tage der Erinnerungen

 

 

 

 

Ja. 

Ich erinnere mich. 

Auch an meine Reise nach Nepal im März. 

Vier Wochen. 

Eine Reise während der ich schrieb.

67 Briefe an meine 2018 verstorbene Großmutter. 7 Nachklänge.

Eine Reise in Nepal.

Eine Reise in die Vergangenheit.

 

Erleben

&

Schreiben. 

 

Über das Leben.

Über das Spüren.

Über das Sterben. 

80 vertraute Menschen lesen in Echtzeit dieses Brieftagebuch. 

Auch Petra. 

(Wenn du nicht im Bild bist, beginne hier: Sterben I und Sterben II

 

Meine Worte begleiteten sie. 

Wie tief wusste ich nicht.

Wie unterstützend wusste ich nicht.

Wie bettend wusste ich nicht.

Nichts wusste ich.  

 

Und dann erfuhr ich es von ihr: 

Metastasierender Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Inoperabel. 

Chancen?

Wenig Zeit.

Soviel Zeit. 

Nichtwissen.

Nur ahnen.

Möglichkeiten

Am Ende sind es 5 Monate.

 

Ja. 

Meine Nepalreise ist weitergegangen. 

Meine Reise mitten hinein ins  l e b e n.

Mitten hinein ins   s t e r b e n. 

 

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23. Juli 2023

Nun nachdem mich meine ganz nahe Frau, Petra, 63, während unserer 19-tägigen Sommerretreatzeit rief, nicht überraschend und doch plötzlich und trotz allem viel zu schnell, bin ich im alten Haus meiner Tante in Wüstenhain. 

Gestern morgen fuhr ich langsam die langen 600 km hierher nach Brandenburg. 

Burg. 

Spreewald. 

Verbrachte viele Stunden mit ihr. 

Hörend. Schweigend. Schauend. Fragend. Friedlich. 

Nun, nachdem sich der hoffnungsvolle Blick auf das im Leben hier geheilt werden abwendet und sich ganz dem Tod zuwendet als dem allergrößten Heiler unserer Leben. 

Still. 

Frei vom Drang die Stille einer Dahingehenden zerreden zu müssen. 

Geh dahin. 

Dahin gehen. 

Gehen gehen gehen. 

Dahin. 

Da hin 

Frei vom Drang etwas tun zu müssen. 

Frei alles in mir zu fühlen was aufkommt. 

Zusammen lachen zu können im Angesicht des Vergehens. Und im Erleben des großen Schmerzes. Dem vernichtenden Schmerz des vom Krebs erfassten Körpers. Und dem tiefen Schmerz des Herzens. 

Fragen stellen zu können die wesentlich sind und Frieden bringen. 

Die letzten losen Endchen verbinden und klären. 

In der Weisheit gelebten Lebens zu baden. 

Im großen  Raum des allWissens zu sein. 

 

Wie sagte sie: 

 

„Kati, ich spüre ich so sehr die Grundordnung des Lebens.

Und das ist Frieden. Liebe und Geborgenheit.

Glück in seiner leisesten Form.“

 

Vor einer Woche erhob ich mich an einem intensiven Yogaübungswochenende mit meinen fünf Frauen in den zweiten gemeinsamen Morgen – ganz lebendig voller Freude und laut lachender Lebenslust nach einer tief schlafenden und auch durchwachten Nacht. 

Und eine Woche später sitze und schlafe ich neben dem Bett einer Sterbenden, die um den großen Atem ringt. 

bald

bald 

bald

wird sie federglitzerflügelleicht schweben. 

Und tanzen. 

Frei.