26. März

 

5:00

 

Na guten Morgen meine kleine Große, 

es ist noch ganz früh und ganz geschwind muss ich eine Nachricht teilen, von den so einigen, die ich gestern noch erhielt.

Also: 

„ … 

Das Foto vom sich ausrollenden oder sich entwickelnden Farn ist einzigartig schön.

Farn gehört lt. Paracelsus zu den Pflanzen mit der Signatur des Saturns. Diese sind meist ziemlich giftig und können daher vielfach nur homöopathisch hilfreich eingesetzt werden. Allein die Dosis macht, ob ein Ding ein Gift ist – so sind die zarten Spitzen des Farns, nicht zu oft gegessen, sehr hilfreich und unterstützend, um Durchfall zu beenden – so habe ich es gelernt. 

Wie hat er denn geschmeckt? 

Herzensgrüße zu dir in die Nacht 🌙“

 

Und Kati antwortet: 

„Ganz leicht war er … 

Frische schenkend 

Und er war so weich und zart an den Zähnen 

Ich hatte es auch sofort gegoogelt. 

Es gibt essbare Adlerfarnsprossen. 

 

So schön, dass du mitreist. 

Ich schreibe neben Beate auch für dich.

Beate bräuchte mit ihrer großen Familie so so dringend einen erholsamen Urlaub. Und kann es nicht.

Und bei dir weiß ich ganz sicher, dass eine solche Reise in diesem Leben hier wahrscheinlich nicht möglich sein würde …. 

Deshalb schreibe ich auch für dich ….“

 

*

 

So und heute meine große Kleine, 

heute geht es nach meiner Behandlung gleich am Morgen, am Nachmittag hinaus aus diesem behüteten Kokon nach Pokhara. Ich wäre sehr, sehr gern allein mit dem Bus gefahren. Doch nun ergebe ich mich der SUV Fahrt. Wahrscheinlich ist das auch gut so für mich.  Ich bin neugierig, wie ich das wirbelig intensive Draußensein erleben werde.

Nach Pokhara möchte ich für Geschenke. 

Ja, es ist an der Zeit Geschenke zu kaufen. 

Und das wird so schwer sein.

Am liebsten würde ich für alle, für jeden und jede Einzelne unseres großen Reisegrüppchens ein Geschenk mitbringen. 

Ja. 

Eine Erinnerung an unsere gemeinsame Nepalreise. 

Ich habe überlegt was das wäre. 

Also wenn ich könnte wäre das für jede und jeden, egal ob männlich oder weiblich, 

  • einer der weich gespülten Stein aus dem Mustangtal. Zum spüren. Wenn man gut sucht, dann enthalten sie Pflanzenabdrücke. Muschelformen. Vor langer langer Zeit, sei dort das Meer gewesen … ich für mich empfand die hohen Berge wie uralte Omis und Opis und all die Steine wie ihre vielen vielen vielen Enkelkinder. 

Dann: 

  • ein großer Yakwollschal den man auch so wunderbar als wärmende Decke benutzen kann. Ja, auch für die Männer die hier dabei sind. In den hohen Bergen tragen auch die Männer die langen breiten einhüllenden Tücher bei Kälte um sich herum. So schön.
  • einen kleinen schwergewichtigen Kerzenleuchter der sich öffnen lässt wie eine Lotusblüte. „Und sie begann sich zu drehen und zu drehen … „
  • eine Packung Masala-Tee. Zum Aufkochen mit Milch. 
  • und eine Packung Masala für Momos. 

Und dann müssen wir uns alle austauschen, ob die Momos gelungen sind. 

O ja. 

Das wäre schön. 

Oder zusammen eine gemeinsam kochende Nepali-Momos-Party. 

Ach herrlich wäre das. 

 

Nun ja, träumen beiseite. 

 

Ich werde schweren Herzens nur einige ganz wenige „Bestellungen“ finden. 

Und ich werde vielleicht noch einmal in den Laden gehen zu dem jungen Mann aus Marpha, 

 

* * * Weiße Blütenblätter schweben mir entgegen

in Marpha * * *

 

bei dem ich einen für mich so, so kostbaren kleinen Schatz entdeckte: 

 

*

 

Eine Teeschale. 

Aus Silber und Jade. 

Alte Handarbeit. 

 

*

 

Ich sah sie fast wie still scheinend mit viel Raum um sich an einem etwas geschützten Plätzchen in seinem gut sortierten und zugleich so angefüllten Laden stehen. 

Nahm sie vorsichtig, zögernd, ganz behutsam in meine Hände. 

Und fühlte sie sofort mit ihrem warmen ruhigen Klang bis hinein in mein Herz. 

Mir stiegen die Tränen in die Augen. 

Alles wurde innig weit. 

Und sowas von still…

 

 

Gut, dass ich eine sehr erfahrene Frau in meiner Nähe habe, die vor dieser Reise zu mir sagte: „Kati und wenn dir etwas begegnet, was wirklich zu dir möchte, egal was es ist, nimm es mit. Und wenn es eine (nepalesische) alte Küchenbank sein sollte, die du dir so sehr wünscht. 

Einfach ohne Bedenken mitnehmen.“

Gut, dass ich so vorbereitet war. 

Und zum Glück ist es nur eine kleine, so federleichte, fein-kostbare Teeschale … 

 

So. 

 

Jetzt das Körperchen beugen und strecken.

Dann was Kleines frühstücken. 

Dann Behandlung. 

Dann ausruhen.& wirken lassen. 

Dann Duschen. 

Warm. 

Dann Lunch. 

 

Klingt alles wie ein richtiger Plan 😉

 

Und dann ab nach Pokhara. 

Für Katrin, und mich auch, wahrscheinlich sehr dankbar im SUV. 

 

Halleluja.

 

 

*

 

 

 

06:19

 

 

 

 

 

 

*

 

 

 

23:30

 

Meine liebe Omi, 

ich sitze hier an diesem warm milden Sommerabend im Dunkeln auf meiner kleinen Veranda. 

Tatsächlich ein Sommerabend. 

Mit Grillen. 

Mit Fröschen.

Mit fernen Hunden.

Leisem Menschengemurmel. 

Stimmen irgendwo in der Dunkelheit. 

Musik. 

Ein Vogel der ruft.

Der kleine Ochse, der leise bimmelt. 

Leichtem Wind auf der Haut. 

 

 

Ich sitze hier mit vollem Bauch nach einem ayurvedischen Barbecueabend. 

Fünf Gäste. 

Katrin.

Der aufatmende S. aus Wien. 

Die pensionierte Brigitte auf Weltreise. 

Unser aller Doktor. 

Und ich. 

 

Das Essen der kreative, ayurvedische Ausdruck des Starkochs, der hier an 2 Tagen in der Woche die Küche revolutioniert und wohl auch weltweit gefragt unterwegs ist. 

Heute Morgen gab es ein veganes Omelett aus  Mungbohnen. 

Jetzt am Abend gegrillte Wassermelone. Austernpilze. Ein erstaunliches Papayalachs. Eine Tofukreation im Bananenblatt. Hauchdünn gebackene Aubergine mit einem Pesto von Frühlingszwiebeln, Ingwer, Öl, Salz & Pfeffer. 

Cocoschutney. Gegrilltes Buchweizenbrot. In  Ghee frittiertes Fenchelkraut.

Viele, viele Köstlichkeiten. 

 

Als wir heute nach Pokhara fuhren, bewegte ich mich das erste mal hier etwas weiter auf dem Gelände, etagig gelegen an einem Berghang. 

All die Tage gab es keinen Impuls für etwas anderes außer mein Zimmer. Den stundenlangen ruhigen Blick über den See. Die Veranda. Mein Buch. Das Schreiben. Yoga am Wasser. Ruhiges Essen auf der Terrasse. Der Weg zu den Behandlungsräumen. Meine Behandlungsliege.

Das reichte mir völlig. 

Heute aber bewegte ich mich und da wurde mir erst das Ausmaß der Zurückgezogenheit oder ich sage besser Abgeschirmtheit dieses Ortes klar. 

Um zur Straße zu kommen wo das Auto nach Pokhara auf uns wartet, laufen wir ewig weite Treppen durch den dschungeligen Wald den Berg hinauf, um dann an einem beschützenden Vorbau zu stehen mit dicker Security. 

Halleluja. 

Und ich sage dir meine große Kleine, 

mir schossen in unglaublicher Geschwindigkeit die Tränen in die Augen, als ich wieder das ganz normale Alltagsleben des kleinen angrenzenden Dorfes atmete. 

Oh, was bin ich dankbar so zurück gezogen gewesen zu sein. 

Mit allem was diese Zurückgezogenheit mir schenkte. 

Und was bin ich dankbar, nun den Kokon langsam in kleinen Schritten zu verlassen. 

Für einen Moment gab es jedoch den Gedanken des nicht Wegwollens, den Gedanken, dass ich gerade nach wieder mehrstündiger Massage, erneutem warmen Stirnölguss, Nasen- und Ohrenölung nun so gereinigt bin und ich in dieser Reinheit bleiben möchte. 

Und was bin ich froh, sofort unmittelbar gespürt zu haben, dass genau an diesem Punkt das Leiden und das Verlassen des Flusses liegt. 

Das Gemecker seinen Anfang nimmt. 

Ich mich aus der Verbundenheit des Lebens hinaus bewege. 

In dem Moment wo ich denke, dass ich rein bin und das anderes mich verschmutzt. 

Zu laut ist. 

Zu staubig.

Zu viel.

Nicht richtig. 

Nicht passend.

Genau an dem Punkt geht es in die Abneigung. 

Und mit der Abneigung geht es in die Trennung. 

Ja. 

Und mit der Trennung entsteht das Leiden. 

Mäh. 

Mäh. 

 

Wenn der Geist und das Herz ganz klar sind, 

gibt es keinen „Schmutz“. 

Dann ist auch das dreckigste Klo nicht schmutzig.

Es ist einfach nur ein dreckiges Klo. 

Nicht mehr und nicht weniger. 

Der eigentliche Schmutz, der eigentliche Dreck sind die Gedanken, die abwertend etwas nicht wollen.

 

Und was war ich dankbar dafür, die Menschen zu sehen. Die vielen Kinder und die jungen Mädchen in ihren Schuluniformen. 

Und die staubigen Straßen. 

Nach Tagen der Naturstille das laute Gehupe zu hören. 

Die stinkenden farbenfrohen alten Busse Deluxe. 

Die Frauen auf den Feldern. 

Die tiefenentspannten Straßenhunde. 

Die Abgase der Autos zu riechen. 

Und endlich wieder bunt wilde Wäscheleinen zu erblicken und Straßenkühe. 

Und die vielen Autos und Mopeds, die trotz scheinbarem Chaos so aufmerksam rücksichtsvoll miteinander sind. 

Alles ist wieder so wunderbar normal. 

Und ich atmete so richtig richtig tief durch.

Ja. 

So ist das Leben. 

Hier. 

Laut staubig arm & pur und dabei trotzdem so lebensfröhlich. 

Denn die Menschen lächeln. 

Sie lächeln einfach. 

Gehen allein auf der Straße und lächeln vor sich hin. 

Den Blick nach vorn gerichtet. 

Lächelnd. 

 

Ja, 

dass wirklich große Geschenk ist und bleiben die Menschen hier. 

Egal ob im Ayurvedaresort oder überall. 

Ihr Lächeln, die offenen Blicke, das selbstverständliche Nahsein. 

Der echte Kontakt.

Ja. 

In ihrem Lächeln wohnt trotz weiter Armut das Paradies. 

 

In Pokhara begegnete ich tatsächlich dem jungen Teeschalenmann aus Marpha wieder. 

Er stand vor seinem Laden und erkannte mich sofort. 

 

* * * Weiße Blütenblätter schweben mir entgegen 

in Marpha * * *

 

Wir waren so gerührt, uns noch einmal zu sehen. Deshalb gibt es nun endlich mal wieder ein Bild von mir. 

Kati beim Auftauchen … wieder hinein ins große mehr des Lebens … 

 

 

 

*

 

 

 

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