06. März

 

 

Meine liebe kleine Omi, 

ich bin fast durchgeschlafen wach. 

6.14 Uhr

Der gurrende Klang der Tauben, die Vögel, die vielen bellenden Hunde, der Hahn und die Schritte des Morgens haben mich gerade geweckt.

 

Herrlich frisch ist es in meinem offenen Balkonzimmerchen. Wieder schlief ich heimlich in der Raucherecke. Du würdest es mögen. Wir schlafen beide gerne luftig, kühl & pur. So schön. 

Ruhig.

Tief. 

Erholsam. 

Ein Kopf schiebt sich vorsichtig um die Ecke. 

Eine der Amas, traditionell gekleidet, schaut etwas erschrocken auf mich. 

Oje, ich bin entdeckt und lache sie ein bisschen verlegen glücklich an. Mit Erstaunen versteht sie und zieht sich zurück. Ich packe mein Bettzeug zusammen, bringe es in mein Zimmer, kleide mich schnell an und sitze jetzt mit einer dünnen Decke um mich gelegt ganz brav in der Raucherecke. 

Sie kommt zurück. Und mit Händen und Füßen bedeutet sie mir, dass sie gehen wird, nach Hause, für einige Tage. Sie lächelt ebenso verlegen glücklich wie ich zuvor, verneigt sich und geht. 

Ah wie gut man einander versteht. Auch ohne englisch. 

Ich bin nie allein in die weite Welt Asiens gereist. 

Aus Angst. 

Auch weil ich keine Sprachen spreche. Und das Englische, ohne zugleich unmittelbar praktisch relevanten Bezug, ganz leicht wieder aus meinem Kopf fällt. Mein Hirn is ä Sieb würde unsere alte Tante Lollo aus dem Blauen Haus jetzt sagen. Zugleich verließ ich mich auf unseren weiten Reisen meist auf Adriaan mit seinem Sprachtalent. 

Irgendwann jedoch träumte ich von einer alten Frau die zu mir sagte, dass es egal sei, denn ich würde die universelle Sprache des Lebens sprechen: die des Herzens, des Lächelns, der Freundlichkeit. In diesem Traum verstand ich plötzlich alle Sprachen. Das war unglaublich erstaunlich und schenkte mir Mut und Zuversicht. Und ich stellte und stelle fest, dass es stimmt. Die universelle Sprache ist die des Herzens, des Lächelns, der Freundlichkeit. 

Nun egal wie, wenn Ama jetzt geht bleibt mein Schlafen hier draußen vielleicht doch ein Geheimnis ;). 

Gestern am frühen und auch späten Abend sind drei Frauen angekommen. 

Zwei junge: Monika & Melanie, vielleicht Anfang Mitte zwanzig. Und Katrin, etwas älter als ich. Ihr verdanke ich, dass ich hier bin. Sie übt Yoga mit mir. Online. 

Und fragte mich überraschend im Dezember, ob ich nicht nach Nepal reisen wolle. Ich sagte ob meiner gerade sich auflösenden Wohnung in Wuppertal und all den damit einhergehenden inneren Wachstumsschüben, mit denen ich reichlich zu tun hatte, nein. 

Im Januar fragte sie mich erneut. 

Während unserer langen 42-tägigen Retreatzeit. 

Und sofort war da ein völlig selbstverständliches Ja. Frei von jeglichem Zweifel. In keinem Moment kam er auf. Innerhalb von 4 Tagen hatte ich alles organisiert. 3 Tage davon ging ich allein mit dieser mich tief erfüllenden Entscheidung – als mein alle Zellen erfassendes leuchtendes Geheimnis. Am vierten Tag bezog ich Adriaan mit ein. 

Große Überraschung. Und (natürlich) volle Unterstützung. Du kennst ihn. So kraftvoll (zu)viel und viel zu schnell er oft sein kann, so unterstützend und flexibel ist er auch. 

 

Kati reist allein in die große, weite Welt Asiens. 

 

Katrin kommt um die Ecke und versteht nun, dass ich nicht in dieser, ihrer Ankommensnacht das Zimmer mit ihr teilte. 

Das junge Mädchen, das hier im Haus mithilft, schaut ebenso um die Ecke und strahlt mich an: You are slepping here? Ich lächle und lege meinen Finger auf die Lippen. Na das war’s dann wohl mit meinem nächtlichen Geheimnis.

Katrin. Sie kommt nach vier Wochen bei ihrer Schwester aus Australien, Perth angeflogen. Ich mag sie. Wir kennen uns kaum. Ihr Körper & ihr Geist sind mir dank des Yogas ein wenig vertraut. Sie hat etwas zurückgenommen Kontrollierendes und ist viel, viel, viel ängstlicher als ich. Das ist gut für mich. Denn eigentlich bin ich ziemlich mutig, nur sind andere mit ihrem Mut oft viel schneller und lauter als ich. Zwei vom ähnlichen Schlag können sehr weitend füreinander sein. 

Katrin, Melanie, Monika und ich werden zusammen mit zwei Guides das Mustangtal durchwandern. Neudeutsch trekken gehen. Bis auf 3900 Meter werden wir hinaufsteigen in das Dach der Welt. 

Doch erst mal steht was anderes an. 

Yogamatte ausrollen. 

Reis frühstücken. 

Und dann, auf auf zum Holifest. 

Dem FrühlingsFarbenFest. 

 

Happy Holi. Happy Holi.

 

 

*

 

 

22:00

 

Was für ein Tag! 

 

Der Tag des Frühlingsfest am Vollmondtag im Februar/März. 

So so viele Menschen. 

Junge Menschen. 

So viel Lachen. 

Freude. 

Ausgelassenheit. 

So viel Übermut. 

 

Das Frühlingsfest ist eines der ältesten hinduistischen Feste. 

Und gefühlt alle vorrangig jungen Menschen sind gleichzeitig im Gassengewirr der Altstadt von Kathmandu, hin zum Durbar-Platz unterwegs. Alle haben kleine Plastiktütchen mit Farbpulver bei sich. 

Es werden Wasserbomben geworfen. Farbe zerstäubt in der Luft. Aus den Fenstern der Häuser wird Wasser gegossen. Die Straßen sind immer wieder matschig Bunt. 

Es ist ein einziger großer Spaß, ein riesiger Spielplatz. 

Ein großes Fest. 

Ohne Alkohol. 

Ohne Rauchen. 

Der Rausch der Farben und die Freude reichen. Und das alles um den Frühling zu begrüßen.

 

Alle rufen happy Holi happy Holi und Hände bewegen sich in Richtung deines Gesichtes um dir Farbe ins Gesicht zu streichen. Oder Zack ins Gesicht zu klatschen. 

Eigentlich ist es ein den anderen segnen.

Das passiert oft fast zärtlich, genauso oft auch rau. 

Soviel natürlichen Augenkontakt wie heute hatte ich die ganzen Jahre nicht. In Deutschland schaut man sich nicht so einfach in die Augen. 

Hier bei jedem „Farbkontakt“ ein Blick der eint. Ein Lächeln. Oft ein kleiner Dank. Und weiter geht es. 

Ja. 

Ich lass die Bilder sprechen. 

Es war herrlich.

 

Und ja, es brauchte eine längere Zeit im Bad um das alles wieder abzuwaschen. 

 

*

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und der Tag endet hier.Boudhnath.

Mein Ort.

Ich laufe meine Runden und zuvor entzündete ich Lichter.Für uns alle Reisenden hier, Clemens Arvay (der sich das Leben nahm) und weit darüber hinaus …

 

 

 

 

 

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