08. März

 

So meine große Kleine, 

Ich habe mich ins Bad geschlichen. 

4.30 Uhr

Ich finde zurück in meinem Schlaf-Rhythmus. 

Zwischen 4 und 5 beginnt mein Tag. Wenn ich schlafe dann meist tief & fest. Heute Nacht im ganz dunklen, recht luftigen Zimmer. Tief & fest.  Zum Glück war Katrin in dieser Nacht bereit für geöffnete Fenster. 

Da hab ich die Balkonzimmerchenzeit doch sehnsuchtsfrei hinter mir gelassen. 

Jetzt sitz ich hier auf dem Boden, wollte zuvor wie immer am Morgen ganz selbstverständlich erstmal aus dem Wasserhahn trinken. Das macht mich gleich richtig wach, denn diese luxuriöse Normalität gilt hier nicht. Wasser abkochen oder aus versiegelten Trinkflaschen. Am besten abgekochtes Wasser aus versiegelten Trinkflaschen ;). Aber das kennst du schon von unseren Sri Lanka-PilgerReisen. Für die Berge habe ich nen Wasserfilter dabei. Das ist neu. Also das Wasser wieder ausspucken. Trinken muss warten. Katrin schläft. 

 

Ja, und eigentlich würden wir, Melanie (27 . Sozialpädagogin in der Begleitung Minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge) Monika (37 . wird sich noch zeigen), Katrin (53 . Heilpraktikerin & Arbeit im Speziallabor zur Untersuchung von Herzmuskelgewebe) mit unserem Führer Ishva (27 . Führer & Yogalehrer) nach Jomsom fliegen. 

Am Annapurnamassiv hoch, um von Jomsom aus die erste größere Strecke nach Kagbeni zu wandern. 

Jedoch: Es gibt keine Flugtickets mehr für heute. Erst morgen wieder. 

Also haben wir ziemlich zackig, nach Überblick der Optionen durch Ishwa, entschieden, mit dem Jeep zu fahren. Er gab uns 15 Minuten.

Wir brauchten drei. Schön, wenn es so schnell gehen kann. 

Das heißt nun für heute statt 17 Minuten! fliegen werden wir 7 Stunden! fahren. 

Halleluja. 

Ich bin bereit. 

 

Und wer weiß, fliegen wird ja ziemlich überschätzt 😉 und der Flughafen Jomsom gilt als einer der sehr herausfordernden dieser Welt. Mit vielen kleinen Flugzeugen, die auf der schwarzen Liste stehen. Da gibt es so einige Geschichten. Am Annapurnamassiv hochfliegen, um dann auf einer sehr kurzen Landesstrecke die auf eine Felswand zuführt zu landen ist schon Herausforderung genug. Geflogen werde wohl nur vormittags, weil am Nachmittag die Sandwinde zu stark seien und das fliegen noch abenteuerlicher werden würde. 

Halleluja. 

 

Manche (Lebens)Änderungen können auch eine große Fügung sein ;). 

 

Mir wird kühl. 

Im Zimmer Bewegung. 

Katrin wach?  

 

 

*

 

 

 

(am späten Abend)

Meine kleine Omi, 

Ich bin hier. 

Alles ist gut! 

Hast du dich gesorgt? 

Es gibt nur stundenweise Internet hier. 

Stromausfall immer wieder. 

 

Hier. 

Ja. 

Hier. 

Hier?

 

Hier ist für mich noch ohne Worte. 

Ja.  

Wenn ich ganz eintauche, sind da keine Worte. 

 

Morgen.

 

Vielleicht. 

 

Und heute? 

Heute war eine lange Reise. 

Wo ist sie hin?  

 

Vorbei. 

 

Und ich strenge mich an, mich zu erinnern. 

So ergriffen bin ich vom hier sein.

 

Gib mir ein wenig Zeit.

 

Oje, ich weiß. 

Das war immer schwer für dich. 

Wenn ich dich besuchte, kam ich zur Tür hinein, meist steckte der Schlüssel von außen, und du siehst auf von deiner Handarbeit wenn ich um die Ecke des kleinen Flures komme, beginnst auch mit nachtmüden Augen zu strahlen und kaum habe ich meine Jacke abgelegt, manchmal schaffe ich noch nicht einmal das, kommt ein dankbar anschwellender Fluss von Wörtern. 

 

Wenn das Herz voll ist, muss man sich aussprechen, sagte mal ein alter, mmh, Lehrer. 

 

Dein Herz war, wenn ich kam,  i m m e r  übervoll. 

Und dann, wenn alles ausgesprochen, atmetest du tief durch, die Spannung war gewichen und du fragtest nach mir.

 

Auf der 12-stündigen Fahrt erzählte dir mein Geist heute so viele Dinge. Er ist ganz offen geworden für das Schreiben an dich und stellt Verbindungen her, verknüpft Geschichten und Erinnerungen mit dem jetzt. 

 

Und nun fehlen mir die Wörter. 

 

Vielleicht schreibe ich dir am besten diesen einen langen Moment, als wir endlich nach 11 Stunden in das ehemalige kleine Königreich Mustang, in das Mustangtal hineinfahren. 

 

Ja. 

 

*

 

Wir sind zu sechst im Auto. 

4 Frauen, Ishva und der Fahrer. 

Die Fahrt über wird geredet. Musik gehört. Gelacht. Kommentiert. Ausgetauscht.

 

Wenig Schweigen.

 

Doch als wir in das Tal hineinfahren, werden trotz Musik alle still. 

Keine sagt mehr etwas. 

Jede spürt sofort, dass die Atmosphäre sich verändert hat. 

Es wird friedlich um uns herum. 

Klar. 

Pur. 

Weit. 

Erhaben. 

 

 

… 

 

 

U n d  m e i n   g a n z e s   H e r z   w e i t e t   s i c h   h i n a u s   i n   d i e s e s   T a l   … 

 

 

 

 

 

… und ich spüre, 

ich spüre, 

wie ich nach langen Monaten endlich wieder neu zum Ganzkörperherz werde… 

 

… 

 

Die Tränen kommen und gehen, jede einzelne Zelle atmet tief, unendlich tief ein und tief, unendlich tief aus… 

 

Ja … 

 

 

… 

 

 

 

Mehr gibt es gerade nicht zu sagen.

Sei innig umarmt meine große Kleine.

 

 

Oder vielleicht doch:

 

 

Ich bin so dankbar. 

Für alles 

 

 

*

 

 

 

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