05:30
Meine große kleine Omi,
So ein schöner Morgen.
Seit 5 Uhr bin ich wach und mein Bett steht nah am Fenster.
Und so sehe ich der Dämmerung zu wie sie sich langsam in den Tag verwandelt.
Die Hähne krähen.
Die Vögel erwachen.
Und ich liege hier und genieße.
Das gestrige abendliche Wetterleuchten brachte ein Gewitter und langen ruhigen Regen.
Die ganze Nacht.
Ganz klar ist es heute morgen.
Und ich schaue den Nebelschwaden des Sees zu, wie sie sich erhebend schwebend auflösen.
Ich denke so sehr an dich.
Ach wie würden wir es genießen, zusammen hier zu sein.
Ich denke auch an unsere letzten gemeinsamen Tage bei dir in deiner kleinen Wohnung. Ein Zimmer mit Küchenzeile, MiniBad und MiniFlur im Betreuten Wohnen.
Pflegestufe 3.
Alles hatten wir blitzschnell vorbereitet. Jeder der es vermochte half.
Damit du nach Hause konntest.
Wir schliefen bei dir. Auf dünnen Matratzen.
Du in deinem Pflegebett.
Auf dem ich so oft schon Mittagsschlaf gemacht hatte.
Immer wenn ich dich besuchte, meist freitags, nach der Arbeit, kochten wir zusammen und dann kam der Moment, dass du sagtest: „Na meine Kleine, willst du dich hinlegen?“
Ja.
Seit 27 Jahren mache ich ein Mittagsschläfchen. Kurz nur.
Kurz und so so gut.
Und dann liege ich auf deinem Bett, alles duftet nach dir. Inmitten der vielen handgewebten Kissen aus dem Blauen Haus, in dem wir zwei Jahre lebten.
Du warst genauso in sie verliebt, wie ich es noch immer bin.
Jedes einzelne ein kostbar gewebter Schatz.
In jedem einzelnen lebt eine große Seele.
In jedem einzelnen lebt die Freude, das Lachen, die Schönheit, die Eleganz und …
die Nützlichkeit.
Und in der großen Decke auch.
In jedem einzelnen lebt ein Stück von Li, die voller Hingabe an ihrem Webstuhl sitzt.
Li ist frei. (Ok, ok, meistens;)
Eine der zwei freien Frauen die ich kenne und die so wichtig sind in meinem Leben.
Ja.
Blaue Häuser bergen Freiheit ;).
Und ganz viel Liebe.
In diesen letzten Tagen die wir gemeinsam hatten, bist du oft sehr zeitig wach.
Und dann rufst du leise nach mir.
„Kati.“
„Kati.“
Mit einem hellen singenden Ton.
Fröhlich.
Ja.
Fröhlich.
Trotz Nierenversagen.
Trotz Oberarmbruch.
Trotz Dekubitus.
Fröhlich.
Manchmal bin ich zu müde, um zu reagieren.
Manchmal stehe ich auf, werfe mir den Morgenmantel über.
Stehe neben deinem Bett und Du strahlst mich an. Suchst meine Hand. Wenn mein Mantel sich öffnet und ich ihn schnell wieder verschließe, funkeln deine kleinen Augen und du sagst, das sei doch völlig egal. Und außerdem sei ich wirklich schön und bräuchte nichts verstecken …
Solch Worte einer anderen Frau, egal wie alt sie ist, sind ein heilsames Geschenk …
Wie wollen zwar von den Männern gesehen werden. Doch wir brauchen diese Worte von den Frauen.
Ja.
Von uns Frauen.
Daran denke ich.
Während ich hier liege und atme und spüre.
Ach wie würden wir es genießen, zusammen hier zu sein.
wunderbare Webkunststücke von der Li über die Li
*
19:00
Oh meine große Kleine,
stell dir vor:
Ich habe Yoga geübt.
Plötzlich am Nachmittag nach einer erneuten mehrstündigen heißen Kräuterstempelmassage und einem langen Mittagsschlaf war der Impuls plötzlich da.
Ganz von selbst stand ich auf und ging runter an den See und übte.
Nein.
Nicht am Pol.
Wirklich am See oder besser noch auf dem See.
So wie in den ganzen Werbeprospekten.
Bloß zum Glück nicht so gestylt.
Tatsächlich.
Niemand kann mich dort sehen.
Ich sehe nur das Wasser und die Berge.
Und spüre mich auf dem leicht schwankenden Futon.
Holz auf Wasser.
Ich mittendrin hineingestellt mit einer Kräuterbonbon duftenden Geschmeidigkeit und Kraft, die mich ehrlich gesagt ziemlich überrascht.
Und meine Wäsche duftet ganz genauso.
Ich gab all das wenige was ich dabei habe zum waschen. Wenn ich daran denke, könnte ich weinen. Was für ein Geschenk, so umsorgt zu sein.
Und stell dir vor, meine bunt bekleckerte Sri Lanka Tunika vom Holiday in Kathmandu ist tatsächlich wieder schneeweiß.
Und meine Schuhe sind neu strahlend bunt.
Strahlend golden bunt ist auch ein Bild, das mich gefunden hat.
Ganz andächtig und still werde ich, wenn ich es anschaue. Und ich schaue es oft an. Die handbemalte Leinwand hängt mit Wäscheklammern gehalten über der alten tibetischen Yakwollschürze und verdeckt den großen Fernseher, den es hier tatsächlich auch gibt.
Am letzten Abend in Pokhara ließ ich die anderen zurück und ging nach einmal hinaus in den späten Abend.
Allein.
Es zog mich wieder wie schon in Kathmandu in die kleinen Läden mit all den vielen großformatigen Mandalas.
Wie so oft dachte ich dabei auch an dich, denn in deinen langen, beschwerten Nächten maltest auch du Mandalas. Manchmal ganz einfache, manchmal hochkomplexe. Auch diese alle wohnen bei mir in der duftenden Omas-Malbüchertüte.
Und als ich dort so ging, mich gegen eines entschied, das mich anzog aber noch immer zu männlich war wie all die anderen die ich sah, landete ich in einem kleinen unscheinbaren Lädchen und wusste sofort: Wir haben uns gefunden.
Der Verkäufer wusste es auch und überließ es mir dankbar mit Tränen in den Augen.
Mugdal in Pokhara.
Was bin ich reich beschenkt …
*
Die acht glücksverheißenden Zeichen – Ashtamangala
Im äußeren Kreis bedeutet es:Mantra oder
*
Der Königsgaukler . Ein indisches Märchen . Von Manfred Kyber
gelesen von einem Mitreisenden
Teil 7/7
*
01:44
Ich liege wach.
Schon lange.
Und stand auf und holte mir endlich, endlich das einzige Buch, das mit mir reist.
So lange schon.
So lange schon stand es in meinem Küchenbücherregal in Wuppertal.
Als ich im November 6 Wochen lang alles was ich besitze in Kisten verstaue, wandert auch dieses Buch in eine Kiste. Obwohl ich es noch nicht gelesen habe, wandert es in die Kiste der Herzensbücher die ich unbedingt bei mir haben möchte in den Wochen/Monaten der Wohnungslosigkeit.
Und als ich den Rucksack packe für die Reise hierher nach Nepal, war völlig klar, dass es mitkommen muss.
Was bin ich dankbar für diese wissende Selbstverständlichkeit.
Anders kann ich es mir nicht erklären.
Seit Stunden lese ich darin.
Seit Stunden werde ich geflutet von Gänsehautwellen.
Seit Stunden laufen immer wieder die Tränen über.
Seit Stunden komme ich an in den Worten.
Und mit jeder Seite weiß ich immer gewisser, dass alles, wirklich alles alles richtig ist mit mir.
Nein.
Ich bin keine Esotante.
Ich muss auch nichts imaginieren.
Es geschieht einfach.
So oft dachte ich von mir, ich sei ein bisschen neben der Spur.
*
B i n i c h n i c h t !
*
Ich bin in großer staunender Dankbarkeit die wissend längst weiß.
Ich bin in großer staunender Dankbarkeit Ulli Olvedis einordnende Worte zu lesen.
Was habe ich mich danach gesehnt.
Danach gesucht, ohne zu wissen wonach ich suche.
So viel dankbarer Frieden …
Und ich „befürchte“, es öffnet sich nun ein nächster weiter Raum für mich.
Erst das Iyengaryoga. Seit 2005
Dann Vipassana. Seit 2008
Dann all das im Leben zusammenführen. Seit 2011
12 Jahre lang.
2013 kommt ganz vorsichtig und noch immer behutsam tastend die chinesische Medizin hinzu. Und drückt sich mit den Jahren immer mehr aus in meiner Weise zu kochen.
Und jetzt, jetzt: Die Energien des Lebens und des Sterbens und der klassisch buddhistische Weg des Tantrayana.
Auf dem ich längst schon bin.
Wie immer habe ich keine andere Chance.
Das Leben hat gewählt.
Ja.
Schon längst.
„ E g a l w a s g e s c h i e h t, g i b d i c h h i n .
G i b d i c h e i n f a c h g a n z h i n . “
*